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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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die Eile meines Aufbruchs für sie keinen Verlust bedeutete.
    Es gibt Momente, in denen gewisse Dinge durch reinen Zufall plötzlich in Bewegung geraten. Ich erdreiste mich nicht, mir als Verdienst anzurechnen, was dann geschah. Als ich bei meinem kleinen VW angekommen war, merkte ich, wie kühl es war. Ich sprang in den Wagen, zog die Tür zu und schloß sie gewohnheitsmäßig ab. Dann drehte ich mich um und begann auf meinem vollgekramten Rücksitz nach einem Sweatshirt zu suchen, das ich einst dazugeworfen hatte. Gerade als ich es ertastet hatte und dabei war, es unter einem Stapel Bücher herauszuziehen, hörte ich, wie ein Auto gestartet wurde. Ich sah nach rechts. Sufis Mercedes wurde rückwärts aus der Einfahrt gelenkt. Schnell tauchte ich unter und verschwand so aus ihrer Sicht. Ich war mir nicht sicher, ob sie meinen Wagen kannte oder nicht, doch sie muß angenommen haben, ich sei bereits weggefahren, denn sie fuhr zielstrebig los. Sobald sie das getan hatte, rollte ich mich auf den Fahrersitz und suchte nach meinem Schlüssel. Dann ließ ich den Wagen an, machte eine schnelle Kehrtwende und sah noch kurz ihre Schlußlichter, als sie nach rechts Richtung State Street abbog.
    Sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich umzuziehen. Bestenfalls konnte sie sich einen Mantel über ihre Satin-Hauskleidung geworfen haben. Wen kannte sie gut genug, um ihn zu dieser Nachtstunde im Jean-Harlow-Aufzug unangemeldet zu besuchen? Ich konnte kaum erwarten, das zu erfahren.

20

    In Santa Teresa teilen sich die Reichen in zwei Cliquen auf: Eine Hälfte wohnt in Montebello, die andere in Horton Ravine. Montebello steht für das alte Geld, Horton Ravine für das neue. Beide Gemeinden verfügen über große Flächen alter Bäume, Reitwege und Country Clubs, die passende Geldgeber und Aufnahmegebühren in Höhe von fünfundzwanzig Riesen erforderlich machen. Beide Gemeinden mißbilligen fundamentalistische Kirchen, ordinären Gartenschmuck und Hausierer. Sufi war Richtung Horton Ravine gefahren.
    Als sie das Haupttor auf der Los Piratas passierte, bremste sie auf dreißig Meilen in der Stunde ab. Vielleicht mochte sie nicht wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten werden, solange sie gekleidet war wie ein Callgirl auf dem Weg zu einem Freier. Ich paßte mich ihrer Geschwindigkeit an und blieb so weit wie möglich zurück. Ich hatte schon Angst, sie jetzt meilenweit auf kurvigen Straßen verfolgen zu müssen, doch sie überraschte mich und bog in eine der ersten Einfahrten auf der rechten Seite ab. Das Haus lag ungefähr einhundert Meter zurück, ein einstöckiger kalifornischer »Bungalow«: zirka fünf Schlafzimmer, vierhundert Quadratmeter, äußerlich nicht besonders bemerkenswert, aber nichtsdestoweniger teuer. Das Grundstück war wahrscheinlich alles in allem fünf Morgen groß und von einem Ziergitter umgeben, an dem üppig rankende Rosen hochkletterten. Als Sufis Mercedes vor dem Haus hielt, wurden die Außenleuchten eingeschaltet. In einer Wolke aus pfirsichfarbenem Satin und Nerz stieg sie aus dem Wagen und ging auf die Eingangstür zu, die sich öffnete und sie verschluckte.
    Inzwischen war ich an dem Haus vorbeigefahren. An der nächsten Straße rechts drehte ich und rollte mit ausgeschalteten Scheinwerfern zurück. Ich parkte auf dem Bankett zu meiner Linken und knautschte dabei ein paar Büsche. Die Umgebung war in Dunkelheit gehüllt, es gab keine einzige Laterne. Mir gegenüber war das letzte Stückchen des Golfplatzes mit dem schmalen künstlichen See zu sehen, der als Wasserbarriere diente. Der Mondschein glitzerte auf der Wasserfläche und verwandelte sie in einen Fetzen glänzenden grauen Seidenstoffs.
    Ich nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und stieg aus dem Wagen. Vorsichtig suchte ich mir einen Weg durch das hohe Gras am Straßenrand. Es war dicht und feucht und durchnäßte meine Turnschuhe und die Hosenbeine meiner Jeans.
    Ich kam zu der Einfahrt. Auf dem Briefkasten stand ein Name, aber ich notierte mir die Hausnummer. Ich konnte jederzeit bei meinem Büro vorbeifahren und in meinem großen Adreßbuch nachschlagen, wenn es nötig wäre. Als ich die Einfahrt ungefähr bis zur Hälfte hinaufgegangen war, hörte ich am Haus einen Hund bellen. Ich hatte keine Ahnung, um was für eine Sorte es sich handelte, doch er klang groß, wie einer von den Hunden, die wissen, wie man sich die Seele aus dem Leib bellt. Das tiefe, geschäftsmäßige Kläffen ließ einen an scharfe Zähne und schlechtes

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