Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
davon?« fragte sie.
»Auf keinen Fall. Du wirst Kleinert erzählen, daß du es gegessen hast.«
Kitty hatte den Anstand, rot zu werden, wobei sie unbehaglich lachte.
»Ich versteh nicht, warum du nichts ißt«, meinte ich.
Sie verzog das Gesicht. »Es sieht einfach alles so mächtig aus. Da ist so ein Mädchen zwei Türen weiter, die hatte auch Magersucht, verstehst du? Also brachte man sie hierher, und schließlich begann sie wieder zu essen. Jetzt sieht sie aus, als sei sie schwanger. Sie ist immer noch dünn. Sie hat bloß einen halben Basketball als Bauch. Das ist ekelhaft.«
»Na und? Sie lebt, oder?«
»Ich möchte nicht so aussehen. Mir schmeckt sowieso nichts, ich muß bloß davon kotzen.«
Es hatte keinen Sinn, das Thema weiterzuverfolgen, also beließ ich es dabei und ging statt dessen zu etwas anderem über. »Hast du mit deinem Vater gesprochen, nachdem Glen ihn rausgeschmissen hat?«
Kitty zuckte die Achseln. »Er ist jeden Nachmittag hier. Er wohnt im Edgewater Hotel, bis er eine Wohnung gefunden hat.«
»Hat er dir von Bobbys Testament erzählt?«
»Ein bißchen. Er sagt, Bobby hat mir all sein Geld hinterlassen. Stimmt das?« Mehr als alles andere hörte man Bestürzung in ihrer Stimme.
»Soweit ich weiß, ja.«
»Aber warum sollte er das getan haben?«
»Vielleicht hatte er das Gefühl, dein Leben verpfuscht zu haben und wollte das wiedergutmachen. Derek sagte mir, er habe auch Ricks Eltern etwas Geld hinterlassen. Oder vielleicht betrachtete er es als kleinen Ansporn für dich, zur Abwechslung mal deinen Kram allein geregelt zu bekommen.«
»Ich habe nie Geschäfte mit ihm gemacht.«
»Ich meine nicht, daß er ein >Geschäft< vorhatte.«
»Nun, ich mag es nicht, mich kontrolliert zu fühlen.«
»Kitty, ich glaube, du hast ausreichend demonstriert, daß man dich nicht kontrollieren kann. Wir alle haben diese Botschaft laut und deutlich vernommen. Bobby hat dich geliebt.«
»Wer hat ihn darum gebeten? Manchmal war ich nicht mal nett zu ihm. Und ich hatte nicht gerade immer sein Bestes im Sinn.«
»Und das bedeutet?«
»Nichts. Vergiß es. Ich wünschte, er hätte mir überhaupt nichts hinterlassen. Das gibt mir so ein mieses Gefühl.«
»Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll«, erwiderte ich.
»Ja, ich habe ihn nie um etwas gebeten.« Ihr Tonfall war streitlustig, doch ich konnte ihren Standpunkt nicht verstehen.
»Was stört dich?«
»Nichts.«
»Wozu dann die ganze Aufregung?«
»Ich bin nicht aufgeregt! Mein Gott. Warum sollte ich mich aufregen? Er hat es getan, damit er sich gut fühlte, stimmt’s? Es hatte nichts mit mir zu tun.«
»Irgend etwas hatte es mit dir zu tun, sonst hätte er das Geld jemand anderem hinterlassen.«
Sie begann an ihrem Daumennagel zu knabbern. Gelegentlich legte sie ihre Zigarette ab, die dann vom Rand des Aschenbechers aus zarte Rauchfahnen aufsteigen ließ wie ein Indianersignal auf einer fernen Bergspitze. Ihre Miene verfinsterte sich. Ich war mir nicht sicher, warum sie sich angesichts der Vorstellung, zwei Millionen Dollar in den Schoß geworfen zu bekommen, so aufregte, aber ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Ich wollte Informationen. Wieder wechselte ich das Thema. »Was ist mit der Versicherung, die dein Vater auf Bobby abgeschlossen hatte? Hat er das erwähnt?«
»Ja. Das ist verrückt. Erst macht er so ‘nen Mist, und dann wundert er sich, daß sich die Leute darüber aufregen. Er sieht überhaupt nicht ein, was daran verkehrt gewesen sein soll. Ihm erscheint das nur logisch. Bobby hatte ein- oder zweimal seinen Wagen zu Schrott gefahren, also dachte sich Daddy einfach, wenn er schon stirbt, könnte genausogut jemand davon profitieren. Vermutlich hat Glen ihn deshalb rausgeschmissen, hm?«
»Ich glaube, mit dem Tip liegst du richtig. Sie hätte nie zugelassen, daß er aus Bobbys Tod noch Kapital schlägt. Meine Güte, es war der denkbar schlechteste Schritt, den er unternehmen konnte. Im übrigen gerät er damit unter Mordverdacht.«
»Mein Vater würde nie jemanden töten!«
»Das gleiche sagt er von dir.«
»Nun, es stimmt ja auch. Ich hatte keinen Grund, Bobbys Tod zu wollen. Keiner von uns hatte einen. Ich wußte nicht einmal etwas von dem Geld, und ich will es sowieso nicht.«
»Geld muß nicht das Motiv sein«, entgegnete ich. »Es ist ein naheliegender Ausgangspunkt, aber der muß nicht notwendigerweise zu etwas führen.«
»Aber du glaubst nicht, daß es mein Vater war, oder?«
»Ich bin noch zu keinem
Weitere Kostenlose Bücher