Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Schluß gekommen. Ich versuche nach wie vor herauszufinden, was Bobby vorhatte, und ich muß noch einige Lücken füllen. Etwas ging damals vor sich, doch ich kann es nicht miteinander in Einklang bringen. Was für eine Beziehung hatte er zu Sufi? Hast du eine Ahnung?«
Kitty griff nach ihrer Zigarette und wandte dabei den Blick ab. Sie brauchte einen Moment, um die Asche abzuklopfen, dann einen letzten tiefen Zug zu nehmen und sie auszudrücken. Ihre Nägel waren so weit abgekaut, daß die äußersten Fingerspitzen aussahen wie kleine runde Bälle.
Sie überlegte sich etwas. Ich hielt den Mund und gab ihr etwas Zeit. »Sie war die Kontaktfrau«, antwortete sie schließlich mit leiser Stimme. »Bobby führte eine Ermittlung oder etwas Ähnliches für jemanden durch.«
»Für wen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Es müssen die Frakers gewesen sein, stimmt’s? Ich habe gestern abend mit Sufi gesprochen, und kaum war ich weg, raste sie zu Frakers Wohnung. Sie blieb so lange da, daß ich schließlich nach Hause fahren mußte.«
Unsere Blicke trafen sich. »Ich weiß nicht genau, worum es sich handelte.«
»Aber du weißt, wie er da hineingeraten ist? Worum ging es?«
»Alles, was ich weiß, ist, daß er mir erzählt hat, er suche etwas, und er habe diesen Job draußen am Leichenschauhaus, so daß er abends suchen könne.«
»Medizinische Berichte? Etwas, was dort gelagert wird?«
Ihr Gesicht verschloß sich wieder, und sie zuckte die Achseln.
»Aber Kitty, als dir klar wurde, daß jemand ihn umzubringen versuchte, hast du das nicht miteinander in Verbindung gebracht?«
Sie kaute jetzt ernsthaft auf ihrem Daumennagel. Ich sah ihren Blick flackern und drehte mich um. Dr. Kleinert stand in der Tür und starrte sie an. Als er merkte, daß ich ihn gesehen hatte, schaute er zu mir herüber. Sein Lächeln wirkte gezwungen und war nicht gerade von Fröhlichkeit gekennzeichnet.
»Tja, ich wußte ja gar nicht, daß du heute morgen einen Gast hast«, sagte er zu ihr. Dann kurz zu mir herüber: »Was führt Sie in aller Frühe hierher?«
»Ich war auf dem Weg zu Glen und wollte nur kurz mal reinschauen. Ich habe versucht, Kitty zum Essen zu überreden«, erwiderte ich.
»Dazu besteht kein Anlaß«, entgegnete er leichthin. »Diese junge Dame hat eine Abmachung mit mir.« Geübten Blickes sah er auf seine Armbanduhr, wobei er ihr Zifferblatt auf sein Handgelenk schob, bevor er sie wieder unter der Manschette verschwinden ließ. »Ich hoffe, Sie werden uns entschuldigen. Ich habe noch andere Patienten, und meine Zeit ist begrenzt.«
»Ich bin schon auf dem Weg«, nickte ich. Ich sah Kitty an. »Vielleicht rufe ich dich bald mal an. Ich werde sehen, ob Glen zu einem Besuch bei dir vorbeikommen kann.«
»Großartig«, stimmte sie zu. »Danke.«
Ich winkte und verließ den Raum. Dabei überlegte ich, wie lange er wohl schon in der Tür gestanden und wieviel er gehört hatte. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, was Carrie St. Cloud gesagt hatte. Sie hatte mir erzählt, daß Bobby in eine Art Erpressungsgeschichte verwickelt gewesen war, doch nicht die normale Tour mit Geldübergabe und so. Etwas anderes. »Jemand hatte etwas gegen einen Freund von ihm in der Hand, und er versuchte ihm zu helfen«, war die Art, wie sie sich ausgedrückt hatte, soweit ich mich erinnern konnte. Wenn es sich um Erpressung gehandelt hatte, warum war er dann nicht zur Polizei gegangen? Und warum mußte gerade er etwas unternehmen?
Ich ging zurück zu meinem Wagen und fuhr zu Glens Haus.
21
Es war kurz nach neun, als ich in Glens Einfahrt einbog. Der Hof war verlassen. Am Springbrunnen schoß eine fünf Meter hohe Wassersäule empor, um in einem Wirrwarr aus Hellgrün und Weiß zurückzuregnen. Von einer der Terrassen im Hintergrund aus hörte ich einen elektrischen Rasenmäher jaulen, und Wassersprenger spritzten einen feinen Sprühnebel in den sonnengesprenkelten Riesenfarn, der die Kieswege säumte. Die Luft wirkte tropisch und wie mit Jasminduft parfümiert.
Ich läutete, und eines der Mädchen ließ mich ein. Als ich sie nach Glen fragte, hob sie den Blick zur zweiten Etage und murmelte etwas auf spanisch. Daraus schloß ich, daß sich Glen oben befand.
Die Tür zu Bobbys Zimmer stand offen, und sie saß in einem seiner Sessel, die Hände im Schoß, das Gesicht ausdruckslos. Als sie mich erblickte, lächelte sie kaum wahrnehmbar. Sie sah mitgenommen aus, dunkle Ringe hatten sich unter ihren Augen tief eingegraben. Ihr Make-up war
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