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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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die unten miteinander verbunden waren, einem niedrigen Holztisch, auf dem alte Zeitschriften lagen, und einem Bildschirm, der schräg oben in einer Ecke des Zimmers befestigt war. Ich sah, wie ihr Blick hinaufwanderte.
    »Sie zeigen ihn dort oben«, erklärte ich.
    Sie nahm eine Zeitschrift und blätterte zerstreut darin. »Sie haben mir nie erzählt, warum er Sie eigentlich angeheuert hat«, meinte sie. Eine Anzeige hatte scheinbar ihre Aufmerksamkeit erregt, und sie betrachtete sie jetzt, als wäre meine Antwort nur nebensächlich.
    Mir fiel kein Grund ein, warum ich es ihr jetzt nicht erzählen sollte, aber ich merkte, daß ich mir Beschränkungen auferlegte, eine alte Angewohnheit. Ich halte gern etwas zurück. Wenn man eine Information erst mal gegeben hat, kann man sie nicht zurücknehmen. Also ist es besser, Vorsicht zu üben, ehe man den Mund aufmacht. »Er wollte, daß ich ein Kind namens Tony Gahan für ihn finde«, berichtete ich.
    Dieser bemerkenswerte zweifarbige Blick wurde auf mich gerichtet, und ich ertappte mich bei dem Versuch zu entscheiden, welche Augenfarbe ich vorzog. Das Grün war ungewöhnlicher, aber das Blau war klar und kräftig. Die beiden zusammen ergaben einen Gegensatz wie eine Ampel an einer Straßenecke, auf der gleichzeitig Rot und Grün aufblitzen.
    »Kennen Sie ihn?« fragte ich.
    »Seine Eltern und eine jüngere Schwester waren es, die bei dem Unfall ums Leben gekommen sind, zusammen mit zwei anderen Personen, die mit ihnen im Wagen saßen. Was hat Daddy von ihm gewollt?«
    »Er hat erzählt, Tony Gahan hätte ihm einmal geholfen, als er auf der Flucht vor den Cops war. Er wollte sich bei ihm bedanken.«
    Ihr Blick war ungläubig. »Aber das ist doch albern!«
    »Das dachte ich auch«, stimmte ich zu.
    Sie hätte mich vielleicht weiter nach Informationen ausgequetscht, aber der Bildschirm flimmerte in diesem Augenblick weiß auf und schaltete dann auf eine Großaufnahme von John Daggett. Er lag auf einer Bahre, ein Tuch war säuberlich bis zu seinem Hals hinaufgezogen. Er hatte den leeren Plastikausdruck, den der Tod manchmal mit sich bringt; als wäre das menschliche Gesicht nicht mehr als ein leeres Blatt, auf dem die Linien von Gefühlen und Erfahrungen erst markiert und dann wieder ausgelöscht worden sind. Er wirkte eher wie zwanzig als wie fünfundfünfzig, mit einem Stoppelbart und unordentlichen Haaren. Sein Gesicht wies keine Spuren von Gewalt auf.
    Barbara starrte ihn an, ihr Mund öffnete sich, ihr Gesicht lief rosa an. Tränen traten ihr in die Augen, blieben dort hängen, gefangen im Brunnen ihres Unterlids. Ich wandte mich von ihr ab, wollte nicht aufdringlicher sein, als ich mußte. Die Stimme des Angestellten erreichte uns über die Gegensprechanlage.
    »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie soweit sind.«
    Barbara wandte sich abrupt ab.
    »Danke, es ist schon genug«, rief ich. Der Monitor wurde dunkel...
    Kurz darauf klopfte es an der Tür, und er tauchte wieder auf, mit einem verschlossenen großen Umschlag und einem Klemmbrett in der Hand.
    »Wir müssen wissen, welche Anordnungen Sie zu treffen wünschen.« Er sprach in diesem Ton einstudierter Neutralität, den ich schon oft bei denen gehört habe, die mit Hinterbliebenen zu tun haben. Die Wirkung ist unpersönlich und tröstlich, ermöglicht es, Geschäftliches zu regeln, ohne von störenden Emotionen gehindert zu werden. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Barbara Daggett war Geschäftsfrau, dazu erzogen, die ehrfurchtgebietende Haltung zu bewahren, die Männer so aus der Fassung bringt, weil sie an weibliche Unterwürfigkeit gewöhnt sind. Ihr Verhalten war jetzt glatt, ihr Ton so gleichgültig wie seiner.
    »Ich habe mit Wynington-Blake gesprochen«, erklärte sie und bezog sich damit auf eines der Bestattungsinstitute in der Stadt. »Wenn Sie dort Bescheid geben, nachdem die Autopsie abgeschlossen ist, werden sie sich um alles kümmern. Ist dieses Formular für mich?«
    Er nickte und hielt ihr das Brett mit dem daran befestigten Stift entgegen. »Eine Empfangsbestätigung seiner persönlichen Habe«, erklärte er.
    Sie kritzelte eine Unterschrift so schwungvoll, als würde sie ein Autogramm geben. »Wann haben Sie die Ergebnisse der Autopsie vorliegen?«
    Er reichte ihr den Umschlag, der scheinbar Daggetts persönliche Habe enthielt. »Wahrscheinlich am späten Nachmittag.«
    »Wer macht das?« erkundigte ich mich.
    »Dr. Yee. Er hat sie für halb drei angesetzt.«
    Barbara Daggett warf mir einen
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