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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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und er hatte sich auch nie nur auf ein bestimmtes Gebiet festgelegt, um dort Erfahrungen zu sammeln. Er war sechzehnmal verhaftet worden, neunmal verurteilt, zweimal freigesprochen und fünfmal zur Bewährung ausgesetzt. Zweimal hatte man ihn gegen Kaution freigelassen, aber nichts schien sich auf sein Verhalten ausgewirkt zu haben, das in seiner Heftigkeit fast pathologisch schien. Der Mann war entschlossen, sich zu ruinieren. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr hatte er alles in allem neun Jahre im Gefängnis verbracht. Ich hatte keine Ahnung, wie seine Jugendstrafen aussahen. Ich nahm an, daß seine Bekanntschaft mit John Daggett auf sein letztes Vergehen zurückging, einen bewaffneten Raubüberfall, für den er im kalifornischen Staatsgefängnis San Luis Obispo, einer Sicherheitseinrichtung, ungefähr neunzig Meilen nördlich von Santa Teresa, zwei Jahre und zehn Monate abgesessen hatte.
    Ich holte noch einmal das Telefonbuch heraus und überprüfte die Eintragungen unter Polokowski. Nichts. Herrje, warum kann in diesem Job auch nichts einfach sein? Na schön. Im Augenblick wollte ich mir deshalb keine Sorgen machen.
    Inzwischen konnte ich den Regen an den verglasten Windfang trommeln hören, der meine Wohnung mit Henry Pitts Haus verbindet. Er ist mein Vermieter, und das seit fast zwei Jahren. Bei trockenem Wetter stellt er eine alte Wiege, gefüllt mit Brotteig, in den Windfang. Wenn die Sonne scheint, wirkt der Gang wie ein Solarofen, warm und windgeschützt, und der Teig geht auf und steigt über den Rand der Wiege wie ein Federkissen. So kann er zwanzig Laibe auf einmal vorbereiten und sie dann in dem großen Industriebackofen backen, den er sich hat einbauen lassen, als er sich aus dem Geschäft zurückzog. Jetzt verkauft er frisches Brot und Teigwaren in der Nachbarschaft und bessert damit seine Rente auf. Außerdem verdient er sich noch etwas dazu, indem er Kreuzworträtsel entwirft, die er an ein paar dieser »Zeitschriften« verkauft, die man im Supermarkt bekommen kann. Henry Pitts ist einundachtzig, und jedermann weiß, daß ich halb in ihn verliebt bin.
    Ich dachte kurz daran, bei ihm vorbeizuschauen, aber schon die paar Meter schienen bei dieser Nässe zuviel zu sein. Ich setzte Teewasser auf, griff mir ein Buch und streckte mich auf dem Sofa aus, eine Steppdecke über mir. So verbrachte ich den Rest des Tages.
    Im Laufe der Nacht nahm der Regen noch zu, und ich wachte zweimal auf und hörte ihn an die Scheiben peitschen. Es hörte sich an, als würde jemand mit einem Schlauch die Wände abspritzen. Hin und wieder grollte der Donner in der Ferne, blaues Licht blitzte in den Fenstern, Äste tauchten kurz auf, ehe das Zimmer wieder schwarz wurde. Es war klar, daß ich meinen Lauf um sechs Uhr streichen mußte, ein erzwungener Tag der Ruhe. Also vergrub ich mich wie ein kleines Tier noch tiefer in meine Decke, entzückt von der Aussicht, lange zu schlafen.
    Um acht Uhr wachte ich auf, duschte, zog mich an und aß ein weichgekochtes Ei auf Toast mit Unmengen von Lawry’s Seasoned Salt. Ich werde nicht auf Salz verzichten. Mir ist es egal, was die Leute sagen.
    Jonah rief an, als ich meinen Teller abwusch. »Hallo, rat mal, was passiert ist? Dein Freund Daggett ist aufgetaucht.«
    Ich klemmte mir den Hörer zwischen Kopf und Schulter, drehte das Wasser aus und trocknete mir die Hände ab. »Was ist passiert? Ist er aufgegriffen worden?«
    »Mehr oder weniger. Ein Penner hat ihn heute morgen mit dem Gesicht nach unten in der Brandung liegen gesehen, verfangen in einem Fischernetz. Ein Boot ist ungefähr zweihundert Meter weiter an Land getrieben. Wir sind ziemlich sicher, daß das zusammenpaßt.«
    »Ist er gestern abend gestorben?«
    »Sieht so aus. Der Arzt schätzt, er ist zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh ins Wasser gegangen. Aber wir haben noch keinen Bericht über die Todesursache. Nach der Autopsie wissen wir sicher mehr.«
    »Woher weißt du, daß es Daggett war?«
    »Fingerabdrücke. Er lag als xy im Leichenschauhaus, bis wir den Computer gefüttert haben. Willst du ihn dir ansehen?«
    »Ich komme sofort. Was ist mit den Verwandten? Sind Sie schon benachrichtigt worden?«
    »Ja, ein Streifenbeamter ist hingegangen, nachdem wir ihn identifiziert hatten. Kennst du die Familie?«
    »Nicht gut, aber ich hab sie kennengelernt. Bezieh dich nicht auf mich, aber ich schätze, du wirst rausfinden, daß er Bigamist war. Da ist noch eine Frau unten in L. A., die auch behauptet, mit ihm verheiratet zu

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