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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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sein.«
    »Reizend. Am besten kommst du kurz zu uns, wenn du St. Terrys verläßt«, sagte er und hängte ein.
    Die Polizei von Santa Teresa hat kein eigenes Leichenschauhaus. Es gibt einen Sheriff, der gleichzeitig Leichenbeschauer ist, in diesem Staat eine gewählte Position, aber die eigentliche forensische Arbeit wird auf verschiedene Pathologen in diesem Gebiet verteilt. Die notwendigen Räumlichkeiten werden vom Santa Teresa Hospital (für gewöhnlich kurz St. Terrys genannt) und dem früheren County General Hospital zur Verfügung gestellt. Daggett lag offensichtlich im St. Terrys, und dahin fuhr ich, nachdem ich Regenmantel, Schirm und Handtasche zusammengesucht hatte.
    Der Besucherparkplatz am Krankenhaus war halb leer. Es war Samstag, und die Ärzte würden ihre Runden wahrscheinlich erst später machen. Der Himmel war dick mit Wolken verhangen, und hoch oben konnte ich sehen, wie der Wind durch sie hindurchpeitschte und weißen Nebel durch das Grau trieb. Das Pflaster war mit kleinen Zweigen übersät, Blätter klebten flach am Boden. Überall hatten sich Pfützen gebildet, Regentropfen versahen sie mit kleinen Pockennarben. Ich parkte so dicht am Hintereingang, wie ich nur konnte, schloß dann meinen Wagen ab und rannte los.
    »Kinsey!«
    Ich drehte mich um, als ich den Schutz des Gebäudes erreichte. Barbara Daggett eilte von der anderen Seite des Platzes zu mir herüber, den Schirm gegen den Regen geneigt. Sie trug einen Regenmantel und Stiefel, das weißblonde Haar lag wie ein Heiligenschein um ihr Gesicht. Ich hielt die Tür für sie auf, und wir betraten das Foyer.
    »Haben Sie das von meinem Vater gehört?«
    »Deshalb bin ich ja hier. Wissen Sie, wie es passiert ist?«
    »Nicht direkt. Onkel Eugene hat mich um Viertel nach acht angerufen. Ich schätze, die haben versucht, Mutter zu benachrichtigen, und er hat sich eingeschaltet. Der Arzt hat sie so mit Medikamenten vollgestopft, daß es überhaupt keinen Sinn hat, es ihr schon zu erzählen. Er macht sich Sorgen, wie sie es aufnehmen wird, so instabil, wie sie ist.«
    »Kommt Ihr Onkel auch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich sagte, ich würde das erledigen. Es besteht kein Zweifel daran, daß es Daddy ist, aber jemand muß unterschreiben, damit sie den Leichnam zur Bestattung freigeben können. Natürlich wird vorher noch die Autopsie gemacht. Wie haben Sie es herausgefunden?«
    »Durch einen Polizisten, den ich kenne. Ich hatte ihm erzählt, daß ich versuchen wollte, eine Spur von Ihrem Vater zu bekommen, und deshalb hat er mich angerufen, als man ihn anhand der Fingerabdrücke identifiziert hatte. Ist es Ihnen gestern noch gelungen, ihn zu finden?«
    »Nein, aber offensichtlich jemand anderem.« Sie schloß ihren Schirm und schüttelte ihn aus. Dann warf sie mir einen Blick zu. »Offen gesagt, ich vermute, daß ihn jemand umgebracht hat.«
    »Lassen Sie uns keine voreiligen Schlüsse ziehen«, sagte ich, obwohl ich ihr insgeheim zustimmte.
    Wir traten durch die innere Tür und auf einen Flur hinaus. Hier war die Luft wärmer und roch nach Farbe.
    »Ich möchte, daß Sie die Sache für mich untersuchen, auf jeden Fall«, sagte sie.
    »Hören Sie, dafür ist die Polizei zuständig. Ich habe nicht die Mittel dazu. Warum warten Sie nicht erst einmal ab, was sie dazu zu sagen haben?«
    Sie musterte mich kurz und ging dann weiter. »Denen ist es doch egal, was mit ihm passiert ist. Warum sollte es sie kümmern? Er war ein Trunkenbold.«
    »Ach, hören Sie auf. Die Polizisten müssen sich darum kümmern. Wenn es Mord war, müssen sie ihre Arbeit tun, und das werden sie gut machen.«
    Als wir den Autopsieraum erreichten, klopfte ich, und ein junger, schwarzer Angestellter, in Chirurgengrün gekleidet, kam heraus. Sein Namensschild wies ihn als Hall Ingraham aus. Er war schlank, seine Haut hatte die Farbe von Pekanholz, das auf Hochglanz poliert ist. Sein Haar war kurz geschnitten und verlieh ihm das Aussehen einer Skulptur, das längliche Gesicht wirkte fast stilisiert in seiner Perfektion.
    »Das ist Barbara Daggett«, stellte ich vor.
    Er schaute in ihre Richtung, ohne ihrem Blick zu begegnen. »Sie können gleich hier draußen warten«, sagte er. Er ging zwei Türen weiter, und wir folgten ihm, warteten höflich, als er einen Monitorraum aufschloß und uns hineinführte.
    »Es dauert nur eine Minute«, sagte er.
    Er verschwand, und wir nahmen Platz. Das Zimmer war klein, vielleicht drei auf drei Meter, mit vier aus blauem Plastik gegossenen Stühlen,
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