Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
Ich denke mir also, daß es jeden von uns hätte erwischen können. Es war einfach mein Pech, daß es mich getroffen hat. Nicht, daß Andy sich darüber nicht freuen würde. Er hat mich nie sonderlich gemocht, und es hat ihn immer geärgert, daß Mac mir Büroräume zur Verfügung gestellt hat. Andy wollte die Wand durchbrechen und sich selbst diese Ecke einrichten. Auf jeden Fall muß ich annehmen, daß Lance Wood das eigentliche Ziel der Intrige ist, wenn ich auch noch nicht weiß, warum. Wahrscheinlich werde ich versuchen, die Sache von beiden Seiten aufzurollen. Mal sehen, wo sie zusammentreffen. Stell’ ich mir lustig vor. Ich hab’ noch nie für mich selbst gearbeitet, und darauf freu’ ich mich. Erspart mir all den Papierkram.«
Ich beobachtete ihre Reaktion. Diese blassen Augen ruhten auf mir, und ich konnte sehen, daß ihre Gehirnwindungen zu arbeiten anfingen.
»Komm schon, Darcy. Du mußt mir helfen«, schmeichelte ich. »Was hast du schon zu verlieren?«
»Du magst mich ja nicht mal.«
»Du mich auch nicht. Was hat das damit zu tun? Wir beide hassen Andy. Darauf kommt es an. Der Junge ist ein Miststück.«
»Das ist er wirklich«, stimmte sie zu.
»Du glaubst nicht, daß Mac was damit zu tun hat, oder?«
»Äh, nein.«
»Wer könnte es also noch sein?«
Sie räusperte sich. »Andy hat sich ziemlich viel in der Nähe von meinem Schreibtisch rumgetrieben.«
Ihre Stimme war so leise, daß ich mich Vorbeugen mußte. »Weiter.«
»Das fing an dem Tag an, als Jewel in Urlaub ging und Mac ihm aufgetragen hat, ihre Arbeit zu verteilen. Andy war es auch, der dich für den Wood/Warren-Fall vorgeschlagen hat.«
»Wahrscheinlich hat er gedacht, es wäre leichter, mich unter Druck zu setzen.«
Claudine brachte Darcys O-Saft und das Kirschcroissant. Darcy brach es in kleine Stücke, butterte jedes einzelne sorgfältig und schob es dann in den Mund. Himmel, vielleicht sollte ich auch eines nehmen.
Sie erwärmte sich gerade für das Thema Andy Motycka, der sie anscheinend auch nicht lieber mochte als mich. »Was mich wurmt«, fuhr sie fort, »ist, daß ich Ärger mit Mac gehabt habe, weil Andy erklärte, die Akte hätte drei Tage auf meinem Schreibtisch gelegen, ehe du sie bekommen hast. Das ist eine glatte Lüge. Andy hat sie mit heimgenommen. Ich habe gesehen, wie er sie Dienstag in seine Aktentasche schob, als der Bericht der Feuerwehr kam.«
»Hast du das Mac erzählt?«
»Nein, warum? Das hört sich doch nur so an, als würde ich versuchen mich zu verteidigen, indem ich ihm die ganze Schuld gebe.«
»Das stimmt. Mir ging es genauso«, sagte ich. »Hör mal, wenn Andy den Bericht des Brandmeisters gefälscht hat, dann hat er die Dreckarbeit wahrscheinlich zu Hause gemacht, meinst du nicht?«
»Wahrscheinlich.«
»Vielleicht finden wir einen Beweis, wenn wir suchen. Ich schnüffle in seinem Haus herum, wenn du es in seinem Büro versuchst.«
»Er ist umgezogen. Er wohnt nicht mehr in dem Haus. Er und Janice trennen sich gerade.«
»Er läßt sich scheiden?«
»Richtig. Das geht schon seit Monaten. Sie versucht auch, ihn reinzulegen.«
»Tatsächlich. Nun, das ist interessant. Wo wohnt er jetzt?«
»In einem der Apartments in der Nähe von Sand Castle.«
Ich hatte den Komplex schon gesehen: einhundertundsechzig Wohneinheiten in der Nähe eines öffentlichen Golfplatzes, der Sand Castle genannt wurde, noch hinter Colgate, in einer kleinen Gemeinde namens Elton. »Was ist mit seinem Büro? Besteht die Möglichkeit, daß du das überprüfen könntest?«
Zum ersten Mal lächelte Darcy. »Klar. Mach’ ich. Geschieht ihm nur recht.«
Ich ließ mir ihre Privatnummer geben und erklärte, ich würde sie später anrufen. Dann bezahlte ich beide Rechnungen und ging, weil ich mir sagte, es wäre nicht gut, wenn ich in Darcys Gesellschaft gesehen würde. Da ich schon mal in der Stadt war, sprang ich noch schnell bei der Kreditauskunftei vorbei, wo ich ein diskretes Gespräch mit einer Bekannten führte, die dort arbeitet. Ein paar Jahre zuvor hatte ich mal was für sie getan. Ich hatte einen gewissen Herrn überprüft, der gehofft hatte, sie von ihren lästigen Ersparnissen zu befreien. Sie hatte schon das Geld in der Hand, um mich zu bezahlen, aber ich hatte das Gefühl, daß wir beide von einem kleinen Handel mehr profitieren würden — »kleine Gefälligkeiten«. Jetzt überprüfe ich jeden neuen Mann in ihrem Leben, und im Gegenzug beschafft sie mir gelegentlich Kopien von Computerdaten. Ein
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