Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
segelten und wirbelten herum, in einem Tanz nach ihrer ureigenen, seltsamen Choreographie. Gänse watschelten auf der Suche nach Brotkrumen am Strand entlang, während die Enten über das stille Wasser schwammen, so daß sich die Oberfläche kräuselte. Der Himmel wurde dunkelgrau, die silbrige Oberfläche der Lagune kräuselte sich stärker, zeigte den aufkommenden Wind an.
    Ich war froh, als Lieutenant Dolans Wagen neben meinem hielt. Wir unterhielten uns, bis auch Terry auftauchte. Dann warteten wir alle drei. Lyda Case zeigte sich nicht. Um 2.0 Uhr 15 gaben wir schließlich auf. Terry ließ sich Dolans Nummer geben und versprach anzurufen, wenn er von ihr hören sollte. Ich war ein bißchen niedergeschlagen, denn wir hatten alle drei eine Wende in dem Fall erhofft. Terry schien dankbar dafür, etwas zu tun zu haben, und ich schätzte, daß es schwer für ihn sein mußte, diese erste Nacht allein zu verbringen. Freitag war er im Krankenhaus gewesen, Samstag bei seiner Schwiegermutter, während die Bombenspezialisten ihre Untersuchung des Tatortes abschlössen und eine Maurerkolonne die Vorderwand des Hauses wieder hochzog.
    Mein eigenes Gefühl von Melancholie war mit voller Kraft zurückgekehrt. Beerdigungen und Neujahr sind eine schlechte Kombination. Die Schmerztabletten, die ich genommen hatte, schlugen mir aufs Gehirn. Zurück blieb ein Gefühl von Losgelöstheit von der Wirklichkeit. Ich brauchte Gesellschaft. Ich wollte Licht und Lärm und irgendwo ein gutes Essen mit einem anständigen Glas Wein und einem Gespräch über alles, außer über den Tod. Ich bildete mir ein, ein unabhängiges Wesen zu sein, aber jetzt sah ich deutlich, wie leicht ich mich an jemanden hängte.
    Ich fuhr heim, hoffte, Daniel würde wiederauftauchen. Bei ihm konnte man nie wissen. An dem Tag vor acht Jahren, als er aus unserer Ehe ausgestiegen war, hatte er nicht einmal eine Nachricht hinterlassen. Er sah sich nicht gern Wut oder Vorwürfen gegenüber. Er erklärte, es mache ihn fertig, mit Leuten zusammenzusein, die traurig, deprimiert, enttäuscht waren. Seine Strategie hieß: Laß andere Leute mit dem Unerfreulichen fertig werden. Ich hatte gesehen, daß er sich seiner Familie gegenüber so verhalten hatte, seinen alten Freunden, Mädchen gegenüber, die ihn nicht mehr interessierten. Eines Tages war er plötzlich nicht mehr da, und dann sah man ihn vielleicht zwei Jahre lang nicht. Bis dahin kann man sich nicht einmal mehr erinnern, warum man so wütend gewesen ist.
    Manchmal, wie in meinem Fall, war die Wut so groß, daß sie Daniel verwirrte. Es ist schwer, ein starkes Gefühl angesichts völliger Verblüffung aufrechtzuerhalten. Man weiß nicht mehr, was man sagen soll. Außerdem war er damals sowieso meistens stoned gewesen. Ihm Vorwürfe zu machen war also ungefähr ebenso effektiv, als wenn Sie einem Kater verbieten, seinen »persönlichen Duft« an die Vorhänge zu sprühen. Er hat es »einfach nicht begriffen«. Wut ergab in seinen Augen einfach keinen Sinn. Er konnte die Verbindung zwischen seinem Verhalten und dem Zorn, der die Folge davon war, einfach nicht sehen. Was der Mann wirklich gut konnte, war spielen. Er w r ar ein freier Geist, einfallsreich, unermüdlich, süß. Jazz Piano, Sex, Reisen, Partys, da war er wundervoll... natürlich nur, bis er sich langweilte, oder bis die Realität in den Vordergrund trat — dann war er weg. Ich hatte nie gelernt, wie man spielt, und so lernte ich eine Menge von ihm. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das wirklich wissen mußte.
    Ich fand einen Parkplatz sechs Häuser weiter. Daniels Wagen parkte vor meinem Haus. Er lehnte am Kotflügel. Neben seinen Füßen stand eine Papiertüte mit Henkeln, aus der eine französische Baguette herausragte wie ein Baseballschläger.
    »Ich dachte, du wärest heute vielleicht schon fort«, bemerkte ich.
    »Ich habe mit meinem Freund gesprochen. Sieht so aus, als wäre ich noch ein paar Tage länger hier.«
    »Hast du ein Zimmer gefunden?«
    »Ich hoffe. Hier in der Nähe gibt es ein kleines Motel. Da wird nachher ein Zimmer frei. Ein paar Leute ziehen aus.«
    »Schön. Dann kannst du dein Zeug wieder abholen.«
    »Mach ich. Sobald ich sicher bin, daß es klappt.«
    »Was ist das?« fragte ich und zeigte auf die Baguette.
    Er blickte auf die Tüte hinab, folgte meinem Blick. »Picknick. Ich dachte, ich könnte auch ein bißchen Klavier spielen.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Seit sechs. Fühlst du dich gut? Du siehst mitgenommen

Weitere Kostenlose Bücher