Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
Anblick von Bibiannas Namen musste ihm das Herz stehen geblieben sein...
Lieutenant Santos erwachte jetzt wieder zum Leben und nahm den Faden auf. »Er erschien vor etwa einem Monat bei uns und bot uns seine Mitarbeit an. Nach dem Mord hat die Polizei von Santa Teresa die Fingerabdrücke identifiziert und uns benachrichtigt, und darum bin ich jetzt hier.«
»Deshalb haben Sie die Mordsache unter den Teppich gekehrt«, sagte ich, »um die ganze Aktion nicht zu gefährden.«
»Genau«, sagte Dolan. »Wir können nicht riskieren, dass Raymond Lunte riecht. Wir haben die Ermittlungen nicht eingestellt, wir führen sie nur dezent weiter.«
Dann war plötzlich völlige Stille. Sie sahen ruhig zu, wie sich das Schweigen akkumulierte. Sie hatten mich am Haken, und sie wussten es. Ich ließ mir Zeit und versuchte, die Konsequenzen zu durchdenken. In meinem Kopf sang eine leise Stimme: Tu’s nicht. Tu’s nicht. »Wie viel Zeit hat die Sache?«, fragte ich.
Dolan sah Santos an. »Wenig. Einen halben Tag höchstens.«
»Was genau sollte ich denn tun?«
»Dreierlei. Die undichte Stelle aufspüren. Herausfinden, wo die Unterlagen sind, und uns Beweise dafür beschaffen, dass Raymond Ihren Kollegen umgebracht hat.«
Santos klinkte sich jetzt wieder ein, und beide trieben mich in den Pferch wie zwei Schäferhunde. »Sie sagen uns einfach, was Sie brauchen. Wir beschaffen Ihnen alles, was Sie wollen.«
Dolan sagte: »Ihr Ziel ist es zunächst, sich von ihnen rekrutieren zu lassen. Dann müssen Sie selbst sehen, wie Sie weiterkommen, ob mit oder ohne Bibiannas Hilfe.«
Ich dachte kurz darüber nach und fragte mich noch einmal, ob es wohl klug war, mich darauf einzulassen. Aber ich fühlte, wie mein Denkapparat trotz aller unausgeräumten Zweifel ansprang. »Also, wenn es um getürkte Unfälle geht... wäre es doch sicher geschickt, mir eine Versicherungspolice auf den Namen Hannah Moore zu beschaffen.«
»Könnten Sie das über die CF arrangieren?«, fragte Dolan.
»Das könnte ich schon, aber es wäre sicher besser, Sie würden das übernehmen. Sie müssten es direkt mit Mac klären, aber selbst dann muss sicher noch alles seinen bürokratischen Gang gehen.«
»Je weniger Leute davon wissen, desto besser. Und außerdem müssen wir uns beeilen«, sagte Dolan.
»Meinen Sie, das wird ein Problem sein?«, fragte mich Lieutenant Santos.
Ich sagte: »Ich denke, die CF wird da schon mitmachen.«
»Wir möchten, dass Sie einen Sender tragen«, sagte Lieutenant Santos. »Wir können um neun einen Techniker kommen lassen, der Ihnen einen verpasst.«
»Und wenn sie mich durchsuchen?«
Santos sagte: »Das glaube ich nicht, aber wenn — vergessen Sie nicht, wir sind immer in Rufweite.«
Dolan schien zu merken, dass ich noch nicht beruhigt war. »Wenn Sie einen Sender tragen, können wir einen Wagen mit Zivilbeamten einen halben Block entfernt postieren. Wir werden alles tun, um Sie zu schützen. Das ist für uns vielleicht die Chance, diesen Leuten das Handwerk zu legen, und wir werden sie uns nicht vermasseln lassen. Noch irgendwelche Fragen?«
»Mir wird bestimmt noch die eine oder andere einfallen.«
Santos sagte: »Die nötigen Informationen können wir Ihnen später noch geben. Jetzt sperren wir Sie erst einmal wieder zu Bibianna. Sobald der Betrieb hier losgeht, werden wir für Sie beide Kaution hinterlegen. Tun Sie so, als ginge das auf Ihr Konto. Es kann nur gut sein, wenn Sie sich diese Frau ein bisschen verpflichten. Wir werden Ihre Entlassung dann so lange hinauszögern, bis der Techniker da ist.«
»Wird es ihr denn nicht komisch Vorkommen, wenn sie rauskommt und ich nicht?«
»Ich bin sicher, Sie werden irgendeine Erklärung dafür finden«, sagte Dolan trocken. »Bis dahin sollten Sie mit ihr abgesprochen haben, wie Sie später wieder Verbindung mit ihr aufnehmen können.«
»Und was ist, wenn Raymond schon vorher auftaucht?«
»Dann werden wir uns etwas anderes einfallen lassen. Ach, wo wir gerade davon sprechen...« Dolan schrieb mir eine spezielle Telefonnummer auf, über die er jederzeit erreichbar sein würde. Ich steckte den Papierfetzen in eines meiner Söckchen. Er sah auf seine Uhr und erhob sich dann — das Signal, dass die Sitzung aufgehoben war.
Ich stand auf und verabschiedete mich mit einem Händedruck von Lieutenant Santos. »Wie spät haben wir?«, fragte ich.
»Vier Uhr zwo.«
»Ich bin nicht mehr sportlich genug, um diese Zeit noch auf zu sein«, sagte ich. Dann sah ich Dolan an.
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