Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
kann gar nicht anders, als ihm hintendrauf zu brummen. Der Prescher macht sich davon. Der Prellbock und das Opfer fahren wie zivilisierte Bürger rechts ran und tauschen die Fahrzeugkennzeichen aus. Das Opfer ist in dem Moment ziemlich durcheinander. Es ist schließlich auf einen anderen Wagen aufgefahren und weiß, dass es somit schuld ist. Der Prellbock-Fahrer ist voller Mitgefühl — kein Wunder, er kann sich’s ja auch leisten. Er versichert dem Opfer, was es dringend hören möchte — dass es überhaupt nichts dafür kann.«
»Aber seine Versicherung zahlt trotzdem«, sagte ich.
»Sie muss. Wer in diesem Staat einem anderen hintendraufbrummt, haftet automatisch. Na, und dann stellt sich raus, dass der Fahrer des Prellbocks als Folge des Unfalls alle möglichen >Beschwerden< hat. Er geht zu einem Anwalt, und der schickt ihn zum Arzt. Oder er muss zum Chiropraktiker...«
»Und alle gehören mit zu dem Verein.«
»So ist es«, sagte Lieutenant Santos.
»Und Bibianna ist über Raymond in die Sache reingeraten?«
»Scheint so. So weit wir bisher in Erfahrung gebracht haben, hat Raymond sie vor zwei Jahren angeworben, obwohl er sie schon viel länger kennt. Vor einem Jahr wurde dann der Hochzeitstermin festgelegt, aber sie hat ihn aus irgendeinem Grund sitzenlassen. Sie ist verschwunden und kurz darauf in Santa Teresa aufgetaucht. Es scheint, als hätte sie vorgehabt, sich auf anständige Weise durchs Leben zu schlagen, aber es sah finster aus mit Arbeit. Schließlich hat sie einen Job bei einer Reinigung gefunden, aber das ist mies bezahlt, und so konnte sie wohl der Versuchung nicht widerstehen, ein, zwei kleine Dinger auf eigene Faust zu drehen.«
Langsam fügte sich alles zusammen. »Und jetzt habe ich mit meinen Nachforschungen Ihre Ermittlungen gefährdet.«
»Noch nicht, aber Sie sind vielleicht kurz davor. Wir können nicht zulassen, dass Sie uns blindlings dazwischenpfuschen. Aber das ist nicht das einzige Problem. Es sieht so aus, als ob es da irgendwo eine undichte Stelle gibt und entscheidende Informationen zu Raymond durchsickern. Wir hatten schon mindestens dreimal große Razzien geplant, um die Bande auszuheben... zuletzt in einer Karosseriewerkstatt, die Raymond gehört. Es war alles vorbereitet, Haft- und Durchsuchungsbefehle vorwärts und rückwärts. Aber wie wir hinkommen, ist der Laden längst dichtgemacht, und wir stehen in der leeren Bude — auf dem ganzen Gelände nichts zu finden als ein Montiereisen und eine Pepsi-Dose.«
»Augenblick mal, was haben Sie denn gesucht?«
Lieutenant Santos räusperte sich. »Akten, Unterlagen. Alle Spuren, die wir haben, führen direkt zu Raymond. Natürlich könnten wir ihn kassieren, aber was nützt es, wenn alle Beweise beiseite geschafft oder vernichtet sind und die Staatsanwaltschaft die Sache einstellt?«
»Dann war der ganze Aufwand mit der Razzia also völlig umsonst?«
»Nicht ganz. Wir haben den Oberboss ausgehoben und noch ein halbes Dutzend weitere Mitglieder — ein paar Anwälte und Ärzte, zwei Chiropraktiker. Aber Raymond hat davon profitiert, indem er seinen Anteil an dem Unternehmen ausgedehnt hat. Er hat den Kahlschlag genutzt, um sich das freie Terrain unter den Nagel zu reißen. Natürlich sind wir weiter hinter ihm her, aber wir müssen zuerst dieses Leck stopfen, sonst passiert uns immer wieder dasselbe. Das Problem ist: Da wir nicht wissen, wo das Leck sitzt, wissen wir nicht, wem wir trauen können. «
Lieutenant Dolan war unruhig auf seinem Stuhl hin- und hergerutscht und ergriff jetzt zum ersten Mal wieder das Wort. »So ungern ich das sage — es spricht manches dafür, dass sich die undichte Stelle irgendwo in einer der hiesigen Dienststellen befindet. Wahrscheinlich ist es auch über diesen Kanal zu Raymond durchgedrungen, dass Bibianna in Santa Teresa ist. Sie ist vor etwa einem Monat hier verhaftet worden, und irgendjemand hat sie gegen Kaution herausgeholt.«
Ein Erinnerungsblitz zuckte durch meinen Kopf. »Oh, natürlich. Jetzt fällt mir wieder ein, dass sie davon gesprochen hat. Sie hat eine Heidenangst davor, dass Raymond sie finden könnte.«
»Dazu hat sie auch allen Grund. Der Mann tickt nicht ganz richtig«, bemerkte Santos. »Ich habe schon gesehen, was dabei herauskommt, wenn er selbst Hand anlegt.«
»Aber ich verstehe immer noch nicht ganz, warum Sie mir das alles erzählen.«
Nach kurzem Schweigen ergriff wieder Dolan das Wort. »Wenn wir Sie bei diesen Leuten einschleusen können, kriegen wir
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