Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
sie vielleicht zu fassen.«
Ich starrte ihn verdattert an. »Aber... das ist doch nicht Ihr Ernst.« Ich sah vom einen zum andern, aber es kam keine Reaktion. »Und wie stellen Sie sich das vor?«
Dolan lächelte, ohne rechte Fröhlichkeit auszustrahlen. »Das Schwierigste haben Sie ja schon geschafft. Sie haben Kontakt zu Bibianna hergestellt, was wir nicht können.«
»Und was nützt das? Ich dachte, sie sei mit Raymond fertig.«
Dolan zuckte die Achseln. »Aber er nicht mit ihr. Wenn Daw-na es geschafft hat, ihn zu informieren, ist er jetzt vermutlich schon auf dem Weg hierher. Bleiben Sie einfach an Bibianna dran, vor allem dann, wenn er versuchen sollte, sie nach L. A. zurückzubringen. Wir brauchen Sie mittendrin.«
»Moment mal. Ich bin Dawna doch bei der CF begegnet. Was ist, wenn Sie mich wiedererkennt?«
»Machen Sie sich wegen Dawna keine Gedanken. Die werden wir schon aus dem Verkehr ziehen.«
Ich fuhr mir mit der Hand durch mein Haar, das sich vor lauter Haarspray wie eine Perücke anfühlte. »O Mann, Sie haben wirklich Nerven«, sagte ich. »Ich habe keine blasse Ahnung von Undercover-Arbeit.«
»Wir wollen Sie ja nicht blind ins Messer laufen lassen...«
»Na, das beruhigt mich ja.«
Er überging diese Bemerkung. »Wir würden Sie natürlich gründlich vorbereiten. Und Sie könnten sich darauf verlassen, dass wir noch jemanden vor Ort haben, der immer weiß, wo Sie sind.«
Ich sah wieder vom einen zum anderen. Ich traute ihnen nicht. Ich hatte das Gefühl, dass es da noch etwas gab, was sie mir verheimlichten. »Irgendwie scheint mir, dass Sie das schon probiert haben.«
»Mit wenig Erfolg«, sagte Santos. »Wir glauben, dass eine Frau in dem Fall mehr erreichen kann. Diese Typen haben keine sonderlich hohe Meinung von weiblicher Intelligenz. Und Sie hätten schon einen gewissen Vorschuss, auch wenn Sie keine Chicana sind. Wie ist es? Sind Sie interessiert?«
»Nein.«
Dolan legte die Hand hinters Ohr, als hätte er nicht richtig gehört.
»Darauf werde ich mich nicht einlassen, Lieutenant Dolan. Es ist zehn Jahre her, dass ich bei der Polizei war, und auch damals habe ich nie als Undercover-Agent gearbeitet. Vergessen Sie’s. Ich bin dafür nicht ausgebildet, und es ist verdammt gefährlich. «
»Manchmal hat man keine Wahl«, sagte Lieutenant Santos.
»Sie vielleicht nicht. Ich schon.«
Lieutenant Santos kappte den Blickkontakt. »Diese Geschichte gestern bringt Ihnen vermutlich ein Jahr Gefängnis ein. Tätlichkeiten gegen eine Polizeibeamtin sind ein schwerwiegendes Delikt. Wir können Ihnen Ihre Lizenz entziehen lassen.«
Ich starrte ihn an. »Jetzt wollen Sie mir wohl mit Drohungen kommen? Na, wunderbar. Das liebe ich. Aber wissen Sie was? Ich werde Ihre Dreckarbeit nicht machen. Was kümmert mich dieser Raymond Maldonado!« Ich fühlte, wie der Zorn in mir hochstieg. Ich hasse es, wenn man mich einschüchtern will, und ich reagiere gar nicht dankbar, wenn man mir mit dem Stock kommt, um mich zu motivieren. Wenn jemand etwas von mir will, muss er sich schon was anderes einfallen lassen.
Lieutenant Santos schien diesen Strang weiterverfolgen zu wollen, aber Dolan brachte ihn mit einer unwirschen Handbewegung zum Schweigen. »Lassen Sie uns noch genauer darüber reden, ehe Sie sich entscheiden.«
»Die Antwort heißt >nein<.«
Wieder wechselten die beiden Männer einen Blick, den ich nicht recht entziffern konnte. Ganz offensichtlich versuchten sie, alle Register zu ziehen, was mir nur albern erschien, denn ich war fest entschlossen, nicht nachzugeben.
Lieutenant Dolan beugte sich näher zu mir und dämpfte seine Stimme um ein paar Phon. »Eins sollen Sie noch wissen. Dann können Sie von mir aus machen, was Sie wollen. Ihr Freund Parnell Perkins war einer von Raymonds Leuten. Wir glauben, dass Raymond ihn umgelegt hat, aber wir haben keine Beweise.«
»Das glaube ich nicht.«
»Perkins hieß in Wirklichkeit Darryl Weaver. Er war Schadenssachbearbeiter bei einer Versicherung in Compton. Raymond ließ alle seine Forderungen über Weaver laufen, bis die beiden Streit bekamen. Weaver verschwand aus Los Angeles, zog hierher, legte sich einen neuen Namen zu und fing bei der California Fidelity an.«
Plötzlich begriff ich, warum er Bibiannas Akte an Mary Bellflower weitergegeben hatte. Er hatte wahrscheinlich gedacht, dass Raymond und Bibianna wieder zusammen waren und dass Raymond ihm auf die Spur kommen würde, wenn er sich nicht schleunigst etwas einfallen ließ. Beim
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