Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
weiteren Spülversuch zu starten, ehe der Wasserkasten nicht wieder voll gelaufen war. Ich legte das Ohr an den Behälter, hörte aber nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass sich etwas tat. Wenn Raymond jetzt hereinplatzte — würde er die Papierfitzelchen herausfischen und wieder zusammenkleben? Bestimmt nicht.
Ich öffnete den Spülkasten. Innen an den Wänden waren mit Klebeband kleine Plastiksäckchen befestigt... Heroin vermutlich, oder Kokain. Was für ein genialer Einfall. Darauf würden die Bullen bestimmt nicht kommen, falls es je eine Razzia geben würde. Ein Beutelchen hatte sich unter dem Schwimmer verklemmt. Ich schob es weg und wackelte an dem Hebel. Der Behälter füllte sich. Schließlich spülte die Spülung mit Getöse — ein Triumph findiger Intelligenz und klempnerischer Grundkenntnisse. Meine geheimen Aufzeichnungen entschwanden Richtung Meer.
Die Dusche war lauwarm, aber ich schaffte es, mich mit einem kleinen Seifenstück mit der Aufschrift »Ramada Inn« abzuseifen.
Ich wusch mir die Haare und wollte sie gerade ausspülen, als plötzlich das heiße Wasser ausging. Ich beendete hastig die Prozedur. Das einzige Handtuch im ganzen Bad war dünn, bretthart und schmuddelig. Ich tupfte mich mit meinem Trägerhemd trocken und zog mich an.
Als ich mit meinen dreckigen Kleidern in der Hand aus dem Bad trat, war die Wohnung still. Ich spähte ins Wohnzimmer. Luis war offensichtlich nach Hause gegangen. Raymond und Bibianna waren nirgends zu sehen. Die Tür zum großen Schlafzimmer war zu, und ich hörte Stimmen hitzig auf Spanisch debattieren. Ich legte mein Ohr an die Tür, konnte aber nichts verstehen. Ich ging ins Wohnzimmer zurück. Perro war wieder am Sofa angebunden und kaute zufrieden auf dem ledernen Teil der Kettenleine, die ihn festhielt. Sobald er mich sah, sprang er auf, einen Kamm von gesträubten Haaren auf dem Rücken. Er senkte den Kopf, und aus seiner Brust stieg wieder das tiefe Knurren. Um zur Wohnungstür zu kommen, hätte ich dicht an ihm vorbei gemusst. Streich es, dachte ich.
Das Tastentelefon hatte vorhin auf dem Couchtisch gestanden. Jetzt war es spurlos verschwunden. Offenbar hatte Raymond den Apparat ausgestöpselt und mit ins Schlafzimmer genommen. Nicht gerade ein besonderer Vertrauensbeweis. Ich retirierte nach der linken Seite, in einen Miniflur. Das zweite Schlafzimmer enthielt eine verschlissene braune Couch und eine nackte Matratze mit etlichen unbezogenen Kissen.
Ich trat ans Fenster, das zur Straße hinausging. Ich öffnete die Verriegelung und schaffte es, das Alu-Schiebefenster mit einem Minimum an Quietschen ein Stück zur Seite zu ruckeln. Nicht dass ich akut einen Ausstieg gesucht hätte, aber ich weiß gern, wo ich bin und welche Möglichkeiten es im Notfall gibt. Ich beugte mich dicht an den Spalt heran und schaffte es durch entsprechendes Kopfdrehen, in alle Richtungen zu schauen.
Rechts war nur eine schäbige, nackte Hauswand, eine senkrechte Front von sieben, acht Metern bis zu dem kahlen Bürgersteig. Kein Balkon, keine Holzverkleidung, kein Baum in erreichbarer Nähe. So weit ich sehen konnte, bestand das Viertel aus Tacquerias und Striplokalen, Autowerkstätten und Spielsalons, alles so tot und kaputt wie in einem Kriegsgebiet. Ich sah nach links und entdeckte zu meiner Erleichterung eine eiserne Feuertreppe. Im Notfall war ich wenigstens nicht ganz von der Außenwelt abgeschnitten.
Ich musterte den Raum. Ich war so erschossen, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Ich entschied mich für die klumpige Couch, die für meine Körperlänge ein Stück zu kurz war. Ich zog die Knie an und schlang die Arme tröstend um meinen Oberkörper. Was auch immer passieren mochte — ich brauchte dringend eine Runde Schlaf.
Als ich wieder aufwachte, konnte ich am Einfallswinkel des Lichts ablesen, dass es wohl so gegen vier sein musste. Die Tage waren schon sehr geschrumpft — das Zeichen für den plötzlichen Anbruch des Winters. Um diese Zeit werden alljährlich die Ofen in Betrieb genommen. Der Ster Eichenholz ist bereits geliefert und gestapelt. Die Kalifornier holen wie auf Verabredung ihre Wollsachen heraus und lamentieren über die Kälte, obwohl es draußen zehn Grad hat — das Frostähnlichste, was wir hier je erreichen.
Es war immer noch still in der Wohnung. Ich stand auf und schlich hinüber zum Wohnzimmer. Perro schnarchte, aber ich hielt es für eine List. Er hoffte wohl, ich würde versuchen, mich heimlich an ihm
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