Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
beiläufig wie möglich: »Ist schon gut, Bibianna. Ich bleib’ gern hier und leiste dem Hund Gesellschaft.« Ganz so, als wären Perro und ich alte Kumpels. Ich brannte darauf, allein zu sein und Dolan anzurufen, solange ich es noch konnte.
Die beiden verstrickten sich in eine längere Diskussion — wohin gehen, was anziehen? Ob sie nicht lieber auf Luis warten sollten, damit wir zu viert gehen könnten. Ich spürte, wie sich mir vor Anspannung der Magen zusammenkrampfte, aber ich wollte mir auf keinen Fall meine Ungeduld anmerken lassen. Raymond war dafür, auf Luis zu warten, aber Bibianna meinte, sie hätte keine Lust, mit ihm zusammen zu essen, und Raymond machte keinen ernsthaften Druck. Ich trat im Geist von einem Bein aufs andere.
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Sie gingen schließlich um kurz vor sieben, nach einem quälenden Hin und Her. Perro blieb an seinem Platz bei der Tür, wo er weiter an seiner Leine kaute. Er hatte Zähne, wie man sie sich an einem Dinosaurierskelett denken könnte, perfekt geeignet, Alligatoren und handlichere Säugetiere zu zermalmen. Sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, stürzte ich in das Gästeschlafzimmer, wo ich mir zuerst eine Minute Zeit nahm, das Schadensformular aus meinem Dekolleté zu nesteln und unter einem der Couchpolster zu verstecken. Dann machte ich mich auf die Suche nach dem verschwundenen Telefon. Ich begann im großen Schlafzimmer und nahm mir zuerst die Schubladen vor. Es schien mir unwahrscheinlich, dass er den Apparat zwischen Bibiannas Sachen versteckt hatte. Also ersparte ich mir ihre Kommode, um mich ganz auf seine zu konzentrieren. Wahrscheinlich hatte sie auch schon erfolglos gestöbert.
Die Schublade ganz oben links war voller unsortierter Socken und plump gefalteter Taschentücher. Die rechts daneben barg jene Sorte Kleinkram, von der man sich einfach nicht trennen mag: Streichholzbriefchen, Manschettenknöpfe, Krawattennadeln, einen Klemmhalter für Joint-Stummel, Kleingeld, eine Brieftasche, die noch ganz proper aussah, aber keine Kreditkarten mehr enthielt. Ein dünnes, braunes Sparbuch, das ein Guthaben von dreiundvierzigtausend Dollar auswies. Eins tiefer lagen zusammengefaltete Hemden und darunter die Pullover. In einem Karton ganz hinten in der Schublade fand ich zwei Pistolen. Die eine war eine halbautomatische 30er Broomhandle-Mauser im Originalkasten, mit Reservemagazin, Laufreiniger, Test-Zielscheibe und einem Schächtelchen Patronen. Ich beugte mich darüber und schnupperte am Lauf, ohne die Waffe zu berühren. Sie war nicht frisch gereinigt, roch aber auch nicht, als wäre sie kürzlich erst abgefeuert worden. Die zweite Waffe war eine 38er SIG-Sauer P 220-Super, die gut und gern dreihundertfünfzig Dollar kostete. Sollte ich eins von den Dingern an mich nehmen? Nein, nicht jetzt. Das wäre unklug. Unter dem Karton lag ein Sammelsurium von kalifornischen Führerscheinen nebst dazugehörigen Personalausweisen. Ich notierte mir im Geist, dass ich mir diese Papiere bei Gelegenheit noch einmal näher ansehen wollte. Ich legte die Pistolen wieder auf den Ausweishaufen.
Ich durchsuchte Ober- und Unterteil des Schranks, indem ich in allen Stapeln und Haufen stöberte, die groß genug waren, um ein Telefon zu verdecken. Ich lugte unters Bett und in die Nachttischschubladen. Dann ging ich ins zugehörige Bad, das größer war als das Gästebad, aber keineswegs sauberer. Das Medizinschränkchen war zu klein, als dass jemand irgendwas darin hätte verstecken können. Ich wühlte im Wäschepuff. Da war das Telefon, ganz unten auf dem Grund. Ich stieß einen kleinen Freudenschrei aus und zog den Apparat unter einem Berg dreckiger Unterwäsche hervor. Ich wusste, im Wohnzimmer war eine Steckdose, aber ich traute mich nicht, es dort einzustöpseln. Luis konnte jede Minute kommen, und ich wollte nicht, dass er mich mit dem Hörer am Ohr ertappte.
Ich suchte über den Fußleisten im Schlafzimmer nach einer zweiten Dose, konnte aber auf den ersten Blick keine entdecken. Ich ließ mich auf alle viere nieder und kroch, das Telefon mitschleppend, die Wände entlang. Ich spähte hinter die Kommoden und die Nachttische. Schließlich entdeckte ich eine Dose hinter dem Riesenbett, ziemlich genau in der Mitte. Indem ich mich platt auf den Bauch legte und mit dem ausgestreckten Arm zwischen den Staubflusen herumfuhrwerkte, gelang es mir, das kleine Nippeldings an der Telefonstrippe in das zugehörige Loch in der Dose zu stecken. Ich lag noch bäuchlings auf dem
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