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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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verkrochen haben und darauf warten, bis alles abgeheilt war.
    Dietz tauchte in der Tür auf, und ich ging auf ihn zu. Wie immer schnappte er sich kurzerhand meinen Ellenbogen und marschierte mit mir durch die Halle. Er war schroff, zerstreut, im Geist wahrscheinlich schon ein paar Schritte voraus. »Zeit für den Lunch«, sagte er.
    »Sie wollen hier essen?«, fragte ich verblüfft. Ich bin eigentlich mehr der Burger-King-Typ.
    »Klar. Wieso nicht? Es wird Sie aufheitern.«
    Wir kamen zum Eingang des Hotelrestaurants, einem riesigen, auf allen Seiten verglasten Raum mit einem Fußboden aus roten polierten Fliesen und weißen Korbmöbeln. Unzählige Grünpflanzen, Palmen und Gummibäume in Kübeln, gaben dem Ganzen ein tropisches Flair. Die Gäste waren recht lässig gekleidet, trugen Tennissachen, Golfhemden und Designer-Sweatshirts. Dietz hatte dieselben Jeans und dieselbe Tweedjacke an wie seit zwei Tagen, ich Jeans und billige Tennisschuhe. Niemand beachtete uns, abgesehen von gelegentlichen neugierigen Blicken, die meinem bunten Gesicht galten.
    Dietz entdeckte einen geschützten Tisch in der Nähe des Notausgangs mit dem auffallenden Schild: Diese Tür muss WÄHREND DER GESCHÄFTSSTUNDEN IMMER UNVERSCHLOSSEN bleiben . Perfekt, wenn man sich schnell aus dem Staub machen musste. Der Anrichteraum dort in der Nähe wurde als Wäsche- und Besteckkammer benutzt. Eine Kellnerin war dazu verurteilt worden, Servietten zu Schiffchen zu falten.
    »Wie wär’s mit dem?«, sagte er. Die Hostess nickte und führte uns zu unseren Plätzen, ohne ein Wort über seine Wahl zu verlieren.
    Sie reichte uns zwei ledergebundene Speisekarten in Übergröße. »Ihr Ober kommt sofort«, sagte sie und entfernte sich. Ich gebe zu, dass ich die Speisekarte mit einer gewissen Neugier las. Ich bin an Schnellimbiss-Ketten gewöhnt, wo die Speisekarten aus Hochglanzfotos der einzelnen Gerichte bestehen, als könnten die echten Speisen sowieso nur enttäuschen.
    Hier hatte ein Küchen-Schriftgelehrter die Speisenfolgen kalligrafisch auf Pergament gemalt — in der Pfanne geräucherte Filets von frei laufenden Kälbern mit heller Soße in einem Körbchen aus frischem Blattspinat, bestreut mit Preiselbeeren; als Beilage handgeformte Waffeln aus Ziegenkäse, Waldpilze, süße Kartoffeln und frische Kräuter... $ 21.95. Ich sah Dietz an, der keineswegs verblüfft schien. Wie gewöhnlich war es mir sehr bewusst, dass ich ganz und gar nicht in meinem Element war. Ich esse kaum einmal Preiselbeeren und süße Kartoffeln.
    Ich musterte die anderen Gäste, meine Sicht wurde jedoch durch eine Farnpflanze stark eingeschränkt. Neben der Pflanze stand eine zylindrische Voliere mit zwitschernden Finken. Am Drahtgeflecht des Käfigs waren Bambuskörbchen befestigt, und die kleinen Vögel hüpften mit Zeitungspapierfetzen hinein und heraus und bauten Nester. Ihre glänzenden Augen und die eilfertige Geschäftigkeit waren bezaubernd. Dietz und ich beobachteten sie mit Muße, während wir auf unseren Ober warteten.
    »Wissen Sie etwas über Krähen?«, fragte er.
    »Mit Vögeln kenne ich mich nicht besonders gut aus.«
    »Mir ging’s genauso, bis ich mich mit einem anfreundete. Ich hatte eine Krähe namens Albert. Bertie, als ich ihn besser kannte. Ich bekam ihn, als ich noch ein kleiner Junge war, und behielt ihn jahrelang. Eine junge Krähe ist kein guter Navigator, und manchmal machen sie eine Bruchlandung. In diesem Alter werden sie Ästlinge genannt, weil sie unbeholfen von Ast zu Ast hüpfen — das ist ungefähr alles, wozu sie im Stande sind. Manche bleiben stecken und jammern wie Babys, bis man sie herunterholt. Bertie hatte sich wohl ein bisschen überschätzt, denn er war auf dem Boden gelandet. Ich hatte eine Katze — sie hieß Eittle John und brachte mir den Zeter und Mordio schreienden Bertie. FJ und ich balgten uns um den kleinen Vogel. Bertie hatte Glück, denn ich gewann den Wettstreit. Er und die Katze wurden später Freunde, aber eine Zeit lang stand die Sache auf der Kippe. FJ war sauer, weil ich mich einmischte. Er hatte Bertie für einen Festschmaus zum Erntedankfest gehalten...«
    Dietz blickte auf. Der Ober kam. Er sah aus wie der Zeremonienmeister bei einer Hochzeit, streng korrekt mit weißen Handschuhen.
    »Guten Tag. Wünschen Sie vor dem Lunch etwas zu trinken?« Der Ober übte vornehme Zurückhaltung und vermied jeden Blickkontakt.
    Dietz wandte sich an mich. »Wollen Sie etwas trinken?«
    »Weißwein«, sagte ich.
    »Chardonnay,

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