Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Frühstücksflocken und die Schüsseln auf den Tisch. Dann öffnete ich einen der hölzernen Fensterläden einen winzigen Spalt und schaute hinaus. Doch mehr als einen Streifen von einem Blumenbeet sah ich nicht. Ich stellte mir vor, dass Messinger auf der anderen Seite der Straße mit einem Spezialgewehr mit Infrarotvisier lauerte und mir in dem Moment den Kopf wegpusten würde, in dem ich mich rührte. Deshalb zog ich mich in die Küche zurück und schenkte mir ein Glas Orangensaft ein. So bedroht wie jetzt hatte ich mich seit meinem ersten Schultag nicht mehr gefühlt.
Als er aus dem Bad kam, schien Dietz überrascht, dass ich aufgestanden war. Er trug kakifarbene Hosen aus Baumwollköper und ein körperbetonendes weißes T-Shirt. Er sah kräftig und muskulös aus und hatte kein Gramm Fett zu viel. Er schaltete die tragbare Alarmanlage aus, öffnete die Tür und holte die Zeitung herein. Ich hielt mich vorsichtig aus der Feuerlinie. Bei bestimmten Geisteskrankheiten musste man sich so fühlen, wie ich mich jetzt fühlte. Ich zog mir einen Hocker heraus und setzte mich.
Er warf die Zeitung auf die Frühstückstheke und machte einen kleinen Umweg durch das Wohnzimmer. Als er wieder kam, brachte er die Davis mit, die er aus meiner Tasche genommen haben musste. Er legte sie vor mich auf die Theke. Dann schenkte er sich Kaffee ein und setzte sich mir gegenüber.
»Guten Morgen«, sagte ich.
Mit einem Nicken wies er auf die Davis. »Ich möchte, dass Sie sie wegräumen.«
»Warum?«
»Es ist eine Taschenpistole. Nutzlos unter den gegebenen Umständen.«
Ich verkniff mir eine flapsige Antwort. »Ich habe keine andere Waffe.«
»Besorgen Sie sich eine andere.«
»Aber warum?«
»Sie ist billig und unzuverlässig. Es ist nicht sicher, sie mit den Patronen in der Kammer herumzutragen, was bedeutet, dass Sie das Magazin immer voll, die Kammer leer und die Waffe gesichert haben müssen. Wenn Sie in Schwierigkeiten sind, möchte ich nicht, dass Sie erst lange durchladen müssen, damit Sie eine Patrone im Lauf haben, um schießen zu können. Sie können sich auch gleich ein neues Halfter besorgen.«
Ich sah ihn starr an, doch mein Blick schien ihn wenig zu beeindrucken.
»Wo ist hier das nächste Waffengeschäft?«, fragte er.
»Ich habe kein Geld für so was. Sie sprechen über fünf- bis sechshundert Dollar.«
»Eher über elfhundert für die Pistole, die Sie haben müssten.«
»Und die wäre?«
»Eine von Heckler & Koch, eine P 7, neun Millimeter. Sie können Sie irgendwo gebraucht kaufen. Es ist die neueste Handfeuerwaffe der Yuppies. Im Handschuhfach eines BMW macht sie sich einfach großartig, aber sie ist trotzdem das Richtige für Sie.«
»Vergessen Sie’s«, sagte ich.
Diesmal starrte er mich an.
Ich wurde unsicher. »Selbst wenn ich heute eine Pistole kaufte, müsste ich zwei Wochen warten, bis ich sie bekomme.«
»Bis dahin können Sie die Davis nehmen, aber nicht mit diesen Patronen. Sie sollten welche mit hoher Mündungsgeschwindigkeit wie die Winchester Silvertip benutzen oder Patronen mit Splitterwirkung wie die Glaser Safety Slug. Ich empfehle Ihnen die Winchester Silvertip.«
»Warum die?« Im Grunde war es mir egal, ich war nur aufsässig und wollte streiten.
Er zählte die Gründe an den Fingern ab, damit ich sie mir besser merkte. »Sie ist nicht so teuer und wird sehr häufig von der Polizei benutzt. Bei der schwachen .32er-Patrone ist die Durchschlagskraft...«
»Schon gut, ich hab’s kapiert«, sagte ich gereizt. »War das Ihre Hauptsorge, als Sie gestern Nacht hier unten saßen?«
»Genau das«, sagte er. Er schlug die Zeitung auf und überflog die Titelseite. »Im Wagen habe ich übrigens eine Colt .45. Auf dem Schießstand können Sie dann mit beiden Waffen üben.«
»Und wann wird das sein?«
»Die Waffenhandlung macht um zehn auf, dann fahren wir.«
»Ich will nicht hinaus.«
»Wir wollen doch nicht zulassen, dass der Kerl Ihr Leben derart beeinflusst.« Er hob die grauen Augen zu mir auf. »Okay?«
»Ich hab Angst«, sagte ich.
»Warum tun wir das alles, Ihrer Meinung nach?«
»Was ist mit dem Bankett?«
»Ich denke, wir sollten hingehen. Sie werden jetzt ein paar Tage Ruhe haben. Er will, dass Sie über Ihre Sterblichkeit nachdenken. Er will, dass Ihre Angst immer größer wird, bis Sie bei jedem Klingeln des Telefons zusammenzucken.«
»So weit bin ich schon.«
»Essen Sie was, dann geht es Ihnen gleich besser.«
Ich schüttete Frühstücksflocken und etwas
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