Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
eine Engelsgeduld. Ich arbeitete im Dunkeln, die Taschenlampe zwischen den Zähnen. Manchmal war es eine Sache von Minuten, aber an jenem Abend dauerte es eine Ewigkeit. Ich schwitzte vor Anspannung, als die Tür endlich aufging.
    Zimmer Nummer 20 war ein Duplikat des Raumes, den ich bewohnt hatte. Es war Anns Schlafzimmer, jenes, das Maxine nicht betreten durfte. Und ich begriff jetzt auch, weshalb das so war. Im Schrank, direkt vor mir, stand ein Ponsness-Warren-Gerät zum Nachladen von Schrotpatronen mit allen technischen Finessen und zwei Munitionskartons mit grobem Steinsalz. Ich schlich zum Schrank, kauerte nieder und inspizierte das Gerät genauer, das wie eine Kreuzung aus einem Vogelfutterautomaten und einer Cappuccinomaschine aussah und dazu dient, Patronen mit jedem beliebigen Inhalt zu füllen. Eine Patrone mit Salzkristallen, die aus nächster Nähe abgeschossen wird, richtet kaum großen Schaden an; sie verursacht nur teuflisch brennende und juckende Hautwunden. Tap hatte am eigenen Leib erfahren, wie wirkungslos grobes Steinsalz sein konnte, wenn man damit die Beamten des Sheriffs abschrecken wollte.
    Ich hatte den absoluten Volltreffer gelandet. Auf dem Schrankboden neben dem Patronen-Ladegerät stand ein kleiner handlicher Kassettenrecorder mit eingelegter Kassette. Ich spulte das Band zurück, drückte die Taste »Play« und hörte plötzlich eine bekannte, schleppende und verzerrte Stimme wüste Drohungen aussprechen. Ich spulte erneut zurück und änderte die Laufgeschwindigkeit. Es war unverwechselbar Anns Stimme, die genüsslich drohend erklärte, was sie mit Axt und Säge vorhatte. Das Ganze klang lächerlich, aber es muss ihr einen Riesenspaß gemacht haben. »Ich kriege dich...« Diesen Mist hatten wir als Kinder verzapft. »Ich schneide dir den Kopf ab...« Ich lächelte grimmig in mich hinein, als ich an die Nacht dachte, in der ich einen solchen Anruf erhalten hatte. Damals hatte ich sogar die Tatsache, dass zwei Türen weiter noch jemand wach gelegen hatte, als ausgesprochen tröstlich empfunden. Der Lichtschein hatte zu jener nächtlichen Stunde so beruhigend ausgesehen. Dabei war Ann die ganze Zeit über hier in diesem Raum gewesen, hatte von Zimmer zu Zimmer telefoniert und den Psychoterror gegen mich inszeniert. Mittlerweile konnte ich mich kaum noch daran erinnern, wann ich zum letzten Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte. Ich bestand nur noch aus Adrenalin und Nerven, und die Eigendynamik der Ereignisse riss mich mit. In der Nacht, als in mein Zimmer eingebrochen worden war, musste Ann die Tür mit dem Hauptschlüssel geöffnet und anschließend das Schloss der Schiebetür zerstört haben, um vorzutäuschen, dass der Einbrecher über den Balkon gekommen sei. Ich stand auf und durchsuchte das nächste Schrankfach. In einem Schuhkarton fand ich einen Fensterumschlag mit Kontoauszügen, an »Erica Dahl« adressiert. Gut hundert solcher Umschläge lagen fein säuberlich geordnet im Karton... zusammen mit einer Sozialversicherungskarte, Führerschein und Pass, alle ausgestellt auf den Namen »Erica Dahl« und mit Ann Fowlers Foto. Die Depotauszüge der Bank wiesen ein IBM-Aktienpaket aus, das 1967 für 42 000 $ erworben worden war. In den vergangenen Jahren hatte sich der Wert der Investition mehr als verdoppelt. Ich stellte fest, dass »Erica Dahl« die Ertragszinsen gewissenhaft versteuert hatte. Ann Fowler war viel zu schlau, als dass sie riskiert hätte, eines Tages über das Finanzamt zu stolpern.
    Ich ließ den Lichtkegel meiner Taschenlampe noch einmal in einer großen Acht durch den Raum und die Kochnische gleiten. Als der dünne Lichtstrahl über das Bettgestell glitt, sah ich aus den Augenwinkeln ein weißes Oval und richtete die Taschenlampe direkt auf die Stelle. Ann saß aufrecht im Bett und beobachtete mich. Ihr Gesicht war totenblass. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte mich mit einem so irrsinnigen, hasserfüllten Ausdruck an, dass ich unwillkürlich Gänsehaut bekam. Ich hatte das Gefühl, von einer eisigen Pfeilspitze getroffen worden zu sein, deren Kälte sich allmählich bis in meine Fingerspitzen ausbreitete. Auf dem Schoß hielt Ann eine doppelläufige Schrotflinte. Sie hob sie hoch und richtete die Mündung auf meine Brust. Mit grobem Steinsalz war das Ding vermutlich nicht geladen. Und die Geschichte mit der Spinne erschien mir hier auch kaum Erfolg versprechend.
    »Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?«, erkundigte sie sich.
    Ich hob die

Weitere Kostenlose Bücher