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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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heimgesucht, die Berge glänzten in sattem Grün, und die Waldbrandgefahr war bis zum Hochsommer gebannt.
    Ich wohne in Strandnähe in einer schmalen Seitenstraße parallel zum Cabana Boulevard. Mein Garagenapartment, das während der Weihnachtsfeiertage eine Bombe dem Erdboden gleichgemacht hatte, war wieder aufgebaut worden. Henry allerdings hatte sich, was die Baupläne betraf, mächtig geziert. Er und sein Bauunternehmer hatten wochenlang die Köpfe zusammengesteckt, doch bislang hatte Henry sich geweigert, mir auch nur eine Blaupause zu zeigen.
    Da ich mich selten zu Hause aufhalte, ist es mir ziemlich gleichgültig, wie es dort aussieht. Meine einzige Sorge war, dass Henry das Apartment zu großzügig und luxuriös wieder herrichten ließ und ich mich verpflichtet fühlen würde, ihn entsprechend zu bezahlen. Gegenwärtig beträgt meine Miete zweihundert Dollar im Monat, das ist unglaublich wenig heutzutage. Da mein Wagen bezahlt ist und die Bürokosten von der California Fidelity bestritten werden, kann ich von einem bescheidenen monatlichen Einkommen recht gut leben. Eine Wohnung, die für meinen Geldbeutel eine Nummer zu groß ist, kann ich nicht brauchen. Aber natürlich gehört das Anwesen Henry, und er kann schließlich damit machen, was er will. Am besten kümmerte ich mich um meine Angelegenheiten und ließ ihn in Ruhe.

2

    Ich schloss das Tor auf und ging um den Neubau herum zu Henrys Terrasse an der Rückseite des Hauses. Er stand am Zaun und hielt ein Schwätzchen mit unserem Nachbarn, während er die Terrasse sprengte. Ohne sich zu unterbrechen, blickte er flüchtig in meine Richtung, und die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Ich denke nie an ihn als einen alten Mann, obwohl er am Valentinstag in der vergangenen Woche seinen zweiundachtzigsten Geburtstag gefeiert hat. Henry ist groß und schlank, er hat ein schmales Gesicht mit intensiv blauen Augen. Sein volles weißes Haar trägt er zur Seite gekämmt, er hat noch die eigenen Zähne und sieht das ganze Jahr über sonnengebräunt aus. Er ist intelligent und warmherzig, und seine Neugier hat mit dem Alter kein bisschen nachgelassen. Früher hat er als Bäcker in einem Großbetrieb gearbeitet. Und er kann es immer noch nicht lassen, Brote und Brötchen, Kekse und Kuchen zu backen, die er in der Nachbarschaft gegen Waren und Dienstleistungen eintauscht. Seine augenblickliche Lieblingsbeschäftigung ist es, Kreuzworträtsel zu entwerfen für all die Heftchen, die man in Supermärkten vor der Kasse kaufen kann. Er ist stolz auf sein Geschick, Geld zu sparen. Zum Erntedankfest hat er zum Beispiel einen zehn Kilogramm schweren Truthahn für nur sieben Dollar ergattert, musste dann allerdings fünfzehn Leute einladen, die ihm dabei halfen, das Tier zu verzehren. Zu seinen Fehlern müsste man vermutlich seine Leichtgläubigkeit zählen und seine Neigung, immer dann passiv zu bleiben, wenn er für seine eigenen Interessen kämpfen sollte. Ich fühle mich in gewisser Weise als seine Beschützerin, was ihn sicher amüsieren würde, denn ich vermute, dass er sich umgekehrt als mein Beschützer sieht.
    Ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, mit ihm unter einem Dach zu wohnen. Mein Aufenthalt in seinem Haus war vorübergehend, ich würde dort nur so lange wohnen, bis mein Apartment wieder hergestellt war, also ungefähr noch einen Monat. Kleinere Schäden an seinem Haus waren schnell beseitigt worden, abgesehen von der Sonnenveranda, die zusammen mit der Garage zerstört worden war. Ich hatte einen eigenen Hausschlüssel und konnte kommen und gehen, wie es mir passte. Doch gelegentlich erfasste mich eine Art Platzangst.
    Ich mag Henry. Sehr. Es gibt keinen gutmütigeren Menschen, aber ich lebe seit über acht Jahren allein und bin es nicht gewohnt, jemanden um mich zu haben. Es machte mich nervös, beinahe so, als erwarte er etwas von mir, dem ich nicht entsprechen konnte. Absurderweise hatte ich angesichts meiner Nervosität auch noch Schuldgefühle.
    Als ich die Hintertür des Hauses aufschloss, stieg mir Essensgeruch in die Nase: Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, vermutlich ein Hühnchengericht. Auf einem Metallregal lag aufgetürmt frisch gebackenes Brot. Der Küchentisch war für zwei gedeckt. Henry hatte kurzzeitig eine Freundin gehabt, die seine Küche neu eingerichtet hatte. Sie hatte die Hoffnung gehegt, bald auch über sein Erspartes verfügen zu können. Sie meinte, die Zwanzigtausend in bar würden sich auf ihrem Konto besser

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