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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hatte, und man vermutete, dass er das Mädchen umgebracht habe, weil es sich angeblich mit einem seiner Freunde eingelassen hatte. Mit seinem Schuldbekenntnis hatte Bailey sich sechs Jahre Haft im Staatsgefängnis eingehandelt. Er hatte noch nicht ganz ein Jahr seiner Strafe verbüßt, als ihm die Flucht gelang. Er verließ Kalifornien und nahm den falschen Namen Peter Lambert an. Nach etlichen Jobs als Verkäufer trat er in eine Konfektionsfirma mit Filialen in Arizona, Colorado, Neu-Mexiko und Kalifornien ein. 1979 wurde er Leiter der Unternehmensgruppe im Westen und zog nach Los Angeles, wo er seither gelebt hatte. Die Zeitung berichtete, dass seine Kollegen es kaum fassen konnten, dass er je mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Sie beschrieben ihn als hart arbeitenden, fähigen, offenen und redegewandten Mann, der sich aktiv an Kirchen- und Gemeindearbeit beteiligte.
    Das Schwarzweißfoto von Bailey Fowler zeigte einen etwa vierzigjährigen Mann, der ungläubig in die Kamera starrte. Er hatte ausdrucksvolle Züge, eine feinere Version seines Vaters mit derselben energischen Kinnpartie. Daneben war das verkleinerte Polizeifoto zu sehen, das vor siebzehn Jahren bei seiner Verurteilung wegen des Mordes an Jean Timberlake aufgenommen worden war. Schon damals war er ein hübscher Junge gewesen, und er sah auch jetzt noch gut aus.
    Seltsam, dachte ich, dass man einen neuen Menschen aus sich machen konnte, indem man sich einfach eine neue Identität zulegte. Ich fragte mich allerdings, ob die Verbüßung der gesamten Haftstrafe eine ebenso läuternde Wirkung auf Bailey Fowler gehabt hätte wie der tägliche Lebenskampf. Von Familie war nirgends die Rede, sodass ich davon ausgehen konnte, dass Bailey Fowler unverheiratet geblieben war. Vorausgesetzt Baileys neuer Anwalt erwies sich nicht als ein besonders gerissener Jurist, musste er nicht nur die verbleibenden Jahre seiner ursprünglichen Strafe, sondern zusätzliche sechzehn Monate bis zwei Jahre wegen seiner Flucht verbüßen. Bei seiner Entlassung wäre er dann siebenundvierzig Jahre alt. Es war anzunehmen, dass er diese kostbaren Jahre nicht kampflos hergeben würde.
    In der Zeitung vom Tage fand ich einen Folgeartikel, den ich ebenfalls ausschnitt, mit einem Foto des ermordeten Mädchens aus dem Jahrbuch der Highschool. Sie war zu jenem Zeitpunkt in der Abschlussklasse gewesen. Ihr dunkles Haar umrahmte vorteilhaft ihr Gesicht und fiel vom Mittelscheitel in einer sanften Welle in den Nacken. Sie hatte helle Augen und dichte, schwarze Wimpern, einen großen, sinnlichen Mund. Die Andeutung eines Lächelns schien zu sagen, sie wisse mehr, als der Betrachter ahnte.
    Ich legte die Zeitungsausschnitte in die Akte und diese in das Außenfach meiner Reisetasche. Auf dem Weg aus der Stadt wollte ich noch meine Reiseschreibmaschine aus dem Büro holen. Am darauf folgenden Morgen war ich bereits um neun Uhr unterwegs und fuhr die Passstraße über die San Rafael Mountains hinauf. An der höchsten Stelle des zweispurigen Highways warf ich einen Blick nach rechts und war wie immer fasziniert von der sich endlos fortsetzenden Hügelkette, die hier, unterbrochen von schroffem Fels, nordwärts führt. Der Fels verleiht der kargen Landschaft seine typische verwaschen graublaue Tönung. Das Land hatte sich hier gehoben, sodass die Schiefer- und Sandsteinkämme wie ein Grat herausragen, den man die Transverse Ranges nennt. Geologen ziehen daraus den Schluss, dass sich Kalifornien westlich der Sankt-Andreas-Spalte in den vergangenen dreißig Millionen Jahren ungefähr fünfhundert Kilometer weit nördlich entlang der Pazifikküste vorgeschoben hat. Die Pazifische Platte reibt sich noch immer am Kontinent und beschert den Küstenregionen ein Erdbeben nach dem anderen. Die Tatsache, dass wir im täglichen Einerlei kaum einen Gedanken an diese Vorgänge verschwenden, ist entweder Beweis für unsere moralische Stärke oder purer Wahnsinn. Die einzigen Erdbeben allerdings, die ich je erlebt habe, waren Erschütterungen, die das Geschirr auf dem Regal klirren ließen oder die Kleiderbügel im Schrank zu einem lustigen Klangkonzert veranlassten. Das ist nicht beängstigender, als morgens von jemandem geweckt zu werden, der zu höflich ist, deinen Namen zu rufen. Die Bewohner von San Francisco, Coalinga und Los Angeles können gewiss andere Geschichten erzählen, aber in Santa Teresa (vom großen Beben im Jahr 1925 abgesehen) haben wir schwache, freundliche Erdbeben, die kaum mehr

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