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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Hafenseite die Wellen klatschen.
    Renata war auf die Mauer hinaufgesprungen und ging um die Kurve herum. Wellen sprangen beinahe spielerisch bis zu ihrer Schulter empor. Ihr Trenchcoat war schon klatschnaß — dunkelbraun auf der Ozeanseite, heller auf der anderen, wo der Stoff noch trocken war.
    »Renata!«
    Sie schien mich nicht zu hören, obwohl sie nur fünfzig Meter vor mir war. Der Weg war glitschig vom Meerwasser, und ich mußte vorsichtig gehen. Ich begann zu laufen, achtsam und nicht zu schnell. Es war Flut. Der Ozean brodelte, eine gewaltige schwarze Masse, die sich in der Finsternis verlor. Die Fahnen knallten. In Abständen brannten Lichter, aber sie hatten mehr dekorative Wirkung.
    »Renata!«
    Diesmal blickte sie zurück und sah mich. Sie wurde langsamer, wartete, bis ich sie eingeholt hatte, ehe sie weiterging. Sie blieb mir einen Schritt voraus. Ich war unten auf dem Gehweg, während sie auf der Mauer blieb, so daß ich zu ihr aufsehen mußte. Ich sah jetzt, daß sie weinte. Ihre Wimperntusche war verschmiert. Das Haar klebte ihr in feuchten Strähnen an der Stirn und am Hals. Ich zupfte an ihrem Mantelsaum, und sie blieb stehen und sah zu mir herunter.
    »Wo ist Wendell? Sie haben gesagt, er sei am Freitagmorgen verschwunden, aber Sie sind die einzige, die behauptet, ihn nach dem Donnerstag abend noch einmal gesehen zu haben.« Ich brauchte Einzelheiten. Ich war mir nicht sicher, wie sie es geschafft hatte. Ich dachte daran, wie schlecht sie ausgesehen hatte, als sie zu mir ins Büro gekommen war. Vielleicht war sie die ganze Nacht wach gewesen. Vielleicht sollte ich Teil ihres Alibis sein. »Haben Sie ihn getötet?«
    »Wen interessiert das schon?«
    »Ich würde es gern wissen. Wirklich. Die California Fidelity hat mir den Fall heute morgen abgenommen, und die Polizei kümmert sich nicht darum. Kommen Sie. Nur unter uns. Ich bin die einzige, die glaubt, daß er tot ist, und keiner hört auf mich.«
    Die Antwort kam mit Verzögerung, als hätte sie eine große Entfernung überwinden müssen. »Ja.«
    »Sie haben ihn getötet?«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Ich habe ihn erschossen. Es ging ganz schnell.« Sie krümmte ihren Zeigefinger und tat so, als feuerte sie auf mich. Der Rückstoß war minimal.
    Ich kletterte zu ihr auf die Mauer, so daß unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren. Mir paßte es besser so. Ich brauchte nicht zu schreien, um die Brandung zu übertönen. War sie betrunken? Ich konnte den Alkoholdunst riechen, selbst gegen den Wind. »Haben Sie unten am Strand auf uns geschossen?«
    »Ja.«
    »Aber ich hatte doch Ihren Revolver. Ich habe ihn Ihnen auf dem Boot abgenommen.«
    Ihr Lächeln war blaß. »Ich hatte ein ganzes Sortiment zur Verfügung. Dean hatte sechs oder acht Schußwaffen. Er hatte eine Heidenangst vor Einbrechern. Wendell habe ich mit einer kleinen Halbautomatic erschossen. Der Schuß hat nicht mal soviel Lärm gemacht wie ein Buch, das zu Boden fällt.«
    »Wann haben Sie es getan?«
    »Am selben Abend, Donnerstag. Er ist zu Fuß vom Strand nach Hause gegangen. Ich hatte meinen Wagen. Ich war zuerst zu Hause und erwartete ihn, als er kam. Er war ziemlich kaputt, und seine Füße taten ihm weh. Ich machte ihm einen Wodka Tonic und brachte ihn ihm auf die Terrasse. Er trank einen großen Schluck. Ich preßte die Pistole an seinen Hals und drückte ab. Er ist kaum zusammengezuckt, und ich war so flink, daß ich ihm noch sein Glas abnehmen konnte, bevor es zu Boden fiel. Ich zog ihn zum Dinghy hinunter und hob ihn hinein. Ich deckte ihn mit einer Plane zu und bin losgefahren. Ganz gemächlich, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Und dann?«
    »Als ich ungefähr eine Viertelmeile weit draußen war, habe ich ihn mit einem alten Außenbordmotor beschwert, den ich sowieso verschrotten wollte. Ich habe ihn noch einmal auf den Mund geküßt. Er war schon kalt, und er schmeckte salzig. Dann habe ich ihn über Bord gehievt, und er ist sofort untergegangen.«
    »Mit der Pistole.«
    »Ja. Danach bin ich mit Volldampf von Perdido aus nach Santa Teresa gefahren, habe mich vorsichtig in den Jachthafen eingeschlichen, das Dinghy an der Lord festgemacht, sie ein Stück Küste hinuntergeschleppt und dann die Segel gesetzt. Danach bin ich in meinem Dinghy zurückgefahren und wieder in die Keys getuckert, während die Lord Kurs aufs offene Meer nahm.«
    »Aber warum, Renata? Was hat Wendell Ihnen angetan?«
    Sie drehte den Kopf und starrte zum Horizont. Als sie ihren Blick zurückholte,

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