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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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alles derart öde aus, daß ich mir nicht sicher war, ob es mich interessierte. Ich fragte mich, ob es mir gelingen würde, Stubby Stockton zu erkennen. Viele von uns sehen im Sitzen stubby — also klein und dick aus.
    Drei Minuten nach sieben wurden die Versammelten um Ruhe gebeten und die Behördenvertreter namentlich aufgerufen. Einzelheiten der letzten Sitzung wurden verlesen und unverändert angenommen. Verschiedene Abstimmungspunkte auf der Tagesordnung wurden ohne Diskussion akzeptiert — alles unter beständigem Rascheln, Husten und Räuspern. Jeder schien im gleichen Tonfall zu sprechen, so daß jedes Thema auf seine langweiligsten Komponenten reduziert wurde. Die Behördenvertreter diskutierten Dienstleistungsstrategien im gleichen, trockenen Stil wie Endlosredner im Kongreß. Falls tatsächlich irgend etwas dabei herauskam, so entging es mir völlig. Was mir allerdings seltsam erschien, war, daß Clark Esselmann bei seinem häuslichen Telefonat mit Ned ziemlich heftig geworden war. Hinter den Kulissen tobten offenbar die Leidenschaften. Hier wurde dagegen alles getan, um im Interesse des Dienstes an der Öffentlichkeit sämtliche Emotionen zu neutralisieren.
    Einer nach dem anderen erhielten Personen aus dem Zuschauerraum Gelegenheit, ans Podium zu treten und die Behördenvertreter mit vorbereiteten Erklärungen zu konfrontieren. Diese trugen sie in monotonem Politsingsang vor und schafften es irgendwie, ihre Argumente ohne die geringste Spur von Spontaneität, Humor oder Wärme darzulegen. Wie in der Kirche schraubte die Verbindung von Körperwärme und heißer Luft die Raumtemperatur in schwindelnde Höhen. Für jemanden, der wie ich seit fünf Tagen unter Schlafmangel litt, war es schwer, nicht seitlich vom Stuhl zu kippen.
    Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich tatsächlich einmal kurz einnickte, eine Art Wegtauchen des Bewußtseins, das ich nur mitbekam, weil mir der Kopf herunterfiel. Das mußte noch einmal passiert sein, denn gerade als ich ein bitter benötigtes Nickerchen genießen wollte, wurde ich durch einen erhitzten verbalen Schlagabtausch wieder hochgerissen. Zu spät merkte ich, daß ich die erste Runde verpaßt hatte.
    Clark Esselmann war aufgestanden und deutete mit dem Finger auf den Mann auf dem Podium. »Leute wie Sie ruinieren diesen Bezirk.«
    Der Mann, den er meinte, mußte John »Stubby« Stockton sein. Er war vielleicht einen Meter zweiundfünfzig groß und sehr korpulent, mit einem runden Babygesicht und dunklem, schütterem Haar. Er schwitzte stark und wischte sich während der ganzen Auseinandersetzung immer wieder mit dem Taschentuch übers Gesicht. »Leute wie ich? Aber wirklich, Sir. Lassen wir doch Persönliches beiseite. Hier geht es nicht um mich. Hier geht es auch nicht um Sie. Hier geht es um Arbeitsplätze für diese Gemeinde. Hier geht es um Wachstum und Fortschritt für die Bürger dieses Bezirks, die —«
    »Schwachsinn! Hier geht es ums Profitmachen, Sie verdammter Dreckskerl. Was kümmern Sie schon die Bürger dieses Bezirks? Wenn erst einmal diese... diese Scheußlichkeit gebaut ist, haben Sie die Gegend längst verlassen. Sie werden Ihr Geld zählen, während wir anderen alle für die nächsten Jahrhunderte mit diesem Schandfleck hier festsitzen.«
    Wie ein Liebespaar schienen Clark Esselmann und John Stockton, nachdem sie sich einmal aufeinander eingelassen hatten, nur noch Augen füreinander zu haben. Der Raum war wie elektrisiert, und eine Welle der Erregung wogte durchs Publikum.
    Stocktons Stimme war süßlich vor Abscheu. »Sir, auf die Gefahr hin, Sie zu beleidigen, lassen Sie mich folgendes fragen. Was haben Sie denn getan, um Arbeitsplätze, Wohnungen oder finanzielle Sicherheit für die Bürger von Santa Teresa County zu schaffen? Möchten Sie mir darauf eine Antwort geben?«
    »Wechseln Sie nicht das Thema —«
    »Weil die Antwort >nichts< lautet. Sie haben keinen Balken, keinen Cent und keinen Ziegelstein zur fiskalischen Gesundheit und zum Wohlergehen der Gemeinde, in der Sie leben, beigetragen.«
    »Das ist nicht wahr... das ist nicht wahr !« brüllte Esselmann.
    Stockton kämpfte weiter. »Sie haben das Wirtschaftswachstum blockiert, Sie haben sich der Schaffung von Arbeitsplätzen in den Weg gestellt. Sie haben die Erschließung angeprangert und jeglichen Fortschritt verhindert. Und warum auch nicht? Sie haben ja Ihre Schäfchen schon im trockenen. Was kümmert es Sie, was mit uns anderen geschieht? Wenn’s nach Ihnen geht, können

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