Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Anschein, als sei Danielles Kampf mit ihrem Angreifer auf das vordere Zimmer beschränkt gewesen, dessen größten Teil eine Sitzgruppe und ein Doppelbett einnahmen. Laken und Bettbezug bestanden aus einem Laura-Ashley-Stoff, glatte Baumwolle mit einem rosa-weißen Blumenmuster. Die Vorhänge waren aus demselben Material, und die Wände bedeckte eine dazu passende rosaweiß-gestreifte Tapete. Ihre Küche beschränkte sich auf eine Kochplatte und einen Mikrowellenherd, die auf einer bemalten Kommode standen.
Das Badezimmer war klein und weiß getüncht, während der Fußboden mit winzigen, altmodischen Schwarzweißfliesen ausgelegt war. Um das Waschbecken rankte sich derselbe Laura-Ashley-Stoff, den sie auch im Schlafzimmer verwendet hatte. Sie hatte einen dazu passenden, baumwollenen Duschvorhang gekauft, dessen Stange mit einem Volant verkleidet war. Die Wand gegenüber der Toilette war eine Minigalerie. Ein Dutzend gerahmte Fotografien hingen dicht nebeneinander, viele davon schief. Danielle mußte bei dem Überfall gegen die Trennwand geschleudert worden sein. Mehrere Fotos waren von der Wand gefallen und lagen nun mit der Vorderseite nach unten auf dem Fliesenboden. Vorsichtig hob ich sie auf. Zwei der Rahmen waren beim Aufprall zerbrochen, und in allen vieren war das Glas entweder gesprungen oder ganz zersplittert. Ich legte die vier beschädigten Bilder aufeinander, warf die Glasscherben in den Mülleimer und hängte die restlichen Fotos wieder richtig auf, wobei ich sie mir ansah. Danielle als Baby. Danielle mit Mom und Dad. Danielle mit ungefähr neun, mit hochgestecktem Haar bei einer Tanzaufführung.
Ich ging ins vordere Zimmer zurück und fand ein dickes Bündel brauner Papiertüten, die in dem Spalt zwischen Wand und Kommode steckten. Ich steckte die beschädigten Fotos in eine Tüte und stellte sie neben die Eingangstür. Im Drugstore hatte ich so ähnliche Rahmen für zwei Dollar das Stück gesehen. Vielleicht würde ich dort vorbeifahren und Ersatz beschaffen. Ich zog das Bett ab und legte die Wäsche auf die Veranda. Sogar die Bettverkleidung hatte ein Muster aus blutigen Tupfen abbekommen. Ich würde am nächsten Morgen zur Reinigung fahren. Ich füllte meinen Eimer mit heißem Wasser und stellte eine kräftige Mischung aus Putzmitteln zusammen. Dann wusch ich die Wände ab und schrubbte die Fußleisten und die Böden, bis das Seifenwasser zu einer schaumigen, rosa Flüssigkeit geworden war. Ich schüttete es weg, füllte den Eimer erneut und machte weiter.
Als ich fertig war, zog ich die Abschrift hervor, setzte mich mit Danielles Telefon aufs Bett und versuchte, Hector unter seiner Privatnummer zu erreichen. Er meldete sich gleich.
»Hallo, hier ist Kinsey. Da bin ich aber froh, daß ich Sie zu Hause erreiche. Ich dachte, Sie wären vielleicht schon auf dem Weg ins Studio.«
»So früh nicht und heute überhaupt nicht. Ich arbeite von Samstag bis Mittwoch, daher sind Donnerstag und Freitag abend meistens meine Wochenenden. Gestern abend war eine Ausnahme, aber ich versuche das möglichst auf ein Minimum zu begrenzen. Heute abend habe ich noch etwas Aufregendes vor. Erst bade ich Beauty und dann sie mich. Sie haben die Abschrift bekommen, nehme ich an.«
»Ja, und es tut mir leid, daß ich Sie verpaßt habe. Ich war unter der Dusche, als Sie den Umschlag vorbeigebracht haben.«
Wir brachten ein paar Minuten damit zu, uns gegenseitig unser Leid über die schlechte Qualität der Bandaufzeichnung zu klagen. »Was sagt Ihnen das Ganze?«
»Nicht viel. Ich habe ein paar Worte verstanden, aber nichts, was einen Sinn ergeben hätte.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, worüber sie reden?«
»Nein. Lorna klingt, als würde sie sich über ihn ärgern, das ist das einzige, was ich heraushöre.«
»Sind Sie sicher, daß es Lorna ist?«
»Ich könnte es nicht beschwören, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß sie es ist.«
»Wie steht’s mit dem Mann?«
»Ich habe seine Stimme nicht erkannt. Klingt nicht wie irgend jemand, den ich kenne. Sie sollten es sich selbst noch einmal anhören und aufpassen, was Sie verstehen können. Vielleicht können wir uns beim Einfügen der fehlenden Teile abwechseln wie bei einem Puzzle.«
»Wir müssen es nicht zu unserem Lebenswerk machen«, sagte ich. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es von Belang ist, aber ich werde mich noch einmal damit beschäftigen, wenn ich nach Hause komme.« Ich sah auf die mit Anmerkungen versehene Abschrift hinunter. »Was ist mit
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