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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mußte wirklich bald einmal etwas dagegen tun.
    Angesichts der vier Stunden Schlaf ähnelte mein Lauftraining eher einer lustlosen Pflichtübung. Oft regt mich der Anblick des Strandes an, und ich lasse mich von Seevögeln und dem Tanggeruch dahintreiben. Joggen wird zu einer Meditation, die die Zeit in eine höhere Ordnung verwandelt. Doch heute war einer der Tage, an denen körperliche Anstrengung mich einfach nicht aufbauen konnte. Statt euphorisch zu werden, mußte ich mich mit dreihundert ausgeschwitzten Kalorien, schmerzenden Schenkeln und brennenden Lungen begnügen. Ich hängte noch fünfhundert Meter als Buße für meine Gleichgültigkeit an und ging dann in schnellem Schritt nach Hause zurück, um mich dabei abzukühlen. Ich duschte und schlüpfte in eine frische Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover, über den ich einen dicken, grauen Baumwollsweater zog.
    Ich setzte mich auf einen hölzernen Hocker an den Küchentisch und aß einen Teller Corn-Flakes. Eilig überflog ich die Lokalzeitung. Nichts Außerordentliches passiert. Während der Mittlere Westen von Überschwemmungen bedroht war, lagen die Niederschlagsmengen in Santa Teresa unter dem Durchschnittswert, und man befürchtete schon, daß eine weitere Trockenperiode im Anzug sein könnte. Januar und Februar waren normalerweise regenreiche Monate, aber das Wetter hatte sich launisch gezeigt. Stürme hatten sich der Küste genähert und waren dann über uns geschwebt, als wollten sie flirten, hatten uns jedoch den nassen Kuß ihrer Niederschläge verweigert. Hochdrucksysteme hielten jeglichen Regen fern. Der Himmel bewölkte sich und wurde düster, gab aber letztlich kein Wasser ab. Es war frustrierend.
    Ich suchte nach erfreulicheren Artikeln und las, daß eine der großen Ölfirmen plante, irgendwo weiter südlich an der Küste eine neue Raffinerie zu bauen. Das würde eine hübsche Ergänzung des Landschaftsbildes abgeben. Ein Bankraub, ein Streit zwischen Grundstückseignern, die Land erschließen wollten, und der Verwaltungsbehörde. Ich überflog die Cartoons, während ich meinen Kaffee schlürfte, und fuhr anschließend ins Büro, wo ich die nächsten Stunden damit zubrachte, meine Steuerunterlagen zu sortieren. Lästig. Als ich fertig war, zog ich einen Vordruck des Standardvertrags hervor und füllte die Einzelheiten meiner Vereinbarung mit den Keplers aus. Den Rest des Tages arbeitete ich am Bericht über einen Fall, den ich gerade abgeschlossen hatte. Die Rechnung belief sich, inklusive Spesen, nur auf etwas über zweitausend Dollar. Viel war das nicht, aber es reichte für die Miete und meine Versicherung.
    Um fünf Uhr rief ich bei Janice an, da ich annahm, daß sie nun aufgestanden sein mußte. Trinny, die jüngere der beiden Töchter, nahm den Hörer ab. Sie war eine richtige Plaudertasche. Als ich meinen Namen nannte, sagte sie, daß der Wecker ihrer Mutter jede Minute läuten müßte. Berlyn sei kurz auf die Bank gegangen, und ihr Vater sei auf dem Heimweg von einem Kunden. Damit waren alle abgehakt. Janice hatte mir die Adresse gegeben, aber Trinny erklärte mir den Weg und gab sich recht freundlich.
    Ich holte mein Auto aus dem öffentlichen Parkhaus ein paar Häuserblocks weiter. Ein ständiger Strom Autos mit Menschen, die vom Einkäufen oder vom Büro nach Hause fahren wollten, bewegte sich spiralförmig die Rampe hinunter. Als ich den Capillo Hill hinauffuhr, wirkte die Luft geradezu grau vom Licht der Dämmerung. Die Straßenlampen gingen an wie eine Reihe von Papierlaternen, die man für ein Fest aufgehängt hatte.
    Janice und Mace Kepler besaßen ein kleines Haus auf dem Steilufer, in einem Viertel, das Anfang der fünfziger Jahre für Kaufleute und Händler gebaut worden sein mußte. Viele Straßen boten eine Aussicht auf den Pazifik, und theoretisch hätten die Grundstücke in der Gegend teuer sein können, doch dafür war es zu neblig. Der Anstrich der Fassaden blätterte ab, Aluminiumverkleidungen wurden löchrig, und hölzerne Dachschindeln wellten sich in der ständigen Feuchtigkeit. Der Wind blies vom Ozean her und zerzauste die Rasenflächen. Die Siedlung selbst bestand fast ausschließlich aus Einfamilienhäusern, die in einer Zeit aus dem Boden gestampft worden waren, als das Bauen billig war und man Baupläne bei Zeitschriften per Post bestellen konnte.
    Die Keplers hatten offensichtlich getan, was sie konnten. Die gelbe Farbe auf der seitlichen Holzverkleidung sah aus, als sei sie erst vor kurzem neu

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