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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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aufgetragen worden. Die Fensterläden waren weiß, und ein ebenso weißer Lattenzaun markierte die Grenzen des Grundstücks. Der Rasen hatte dichtem Efeu Platz gemacht, der überall zu wachsen schien und auch die Stämme der beiden Bäume im Vorgarten bis auf halbe Höhe bedeckte.
    In der Einfahrt stand ein blauer Lieferwagen, der im Comic-Stil mit einem großen Wasserhahn bemalt war, von dem ein dicker, tränenförmiger Wassertropfen herabhing. Mace Kepler Installationen • Heizungen • Klimaanlagen stand in weißen Großbuchstaben auf der Karosserie. Ein kleines, rechteckiges Emblem wies darauf hin, daß Kepler Mitglied der PHCC war, des nationalen Verbands der Sanitär-, Heizungs- und Klimaanlagenfachleute. Seine staatliche Zulassungsnummer war ebenso aufgeführt wie der Vierundzwanzig-Stunden-Reparaturservice, den er anbot (bei Wasserrohrbrüchen, undichten Abflüssen, ausströmendem Gas und defekten Durchlauferhitzern) sowie die Kreditkarten, die er akzeptierte. Heutzutage offerieren nicht einmal Ärzte derart umfassende Dienstleistungen.
    Ich bog in die Kieseinfahrt und parkte mein Auto hinter seinem. Ich ließ den Wagen unverschlossen und blickte kurz hinters Haus, bevor ich die flachen Betonstufen zur vorderen Veranda hinaufging. Irgend jemand in der Familie hatte eine Vorliebe für Obstbäume. Im hinteren Teil des Grundstücks war eine regelrechte Plantage für Zitrusfrüchte angelegt worden. Zu dieser Jahreszeit waren die Äste kahl, doch im Sommer würde sie wieder dichtes, dunkelgrünes Blattwerk bedecken, und dazwischen würden die Früchte hängen wie Christbaumschmuck.
    Ich klingelte. Neben dem Fußabstreifer standen lehmbedeckte Arbeitsschuhe. Es dauerte nicht lange, bis Mace Kepler die Tür aufmachte. Vermutlich hatte man ihn dazu abgestellt aufzupassen, wann ich kam. Angesichts meiner unheilbaren Neigung zum Schnüffeln war ich froh, daß ich mich nicht damit aufgehalten hatte, seinen Briefkasten zu durchwühlen.
    Wir machten uns bekannt, und er trat beiseite, um mich einzulassen. Sogar in seinen ledernen Pantoffeln maß er vermutlich einen Meter neunzig gegenüber meinen einsfünfundsechzig. Er trug ein kariertes Hemd und Arbeitshosen, war in den Sechzigern, ziemlich kräftig gebaut und hatte ein breites Gesicht mit einem zurückweichenden Haaransatz. Die Zeit hatte eine tiefe Spalte in sein Kinn gegraben, und eine Sorgenfalte stand wie ein Schrägstrich zwischen seinen Augen. Bei Aufträgen in besseren Wohngegenden heuerte er vermutlich jüngere, zierlichere Männer an, die sich in die engen Zwischenräume unter den Häusern zwängen mußten. »Janice steht unter der Dusche, aber sie müßte gleich fertig sein. Darf ich Ihnen ein Bier anbieten? Ich trinke selbst auch eins. Ich habe einen höllischen Tag hinter mir und bin gerade erst nach Hause gekommen.«
    »Nein, danke«, sagte ich. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.« Ich wartete an der Tür, während er in die Küche trottete, um sich ein Bier zu holen.
    »Keine Sorge. Das paßt schon«, sagte er. »Ich bin bloß noch nicht zum Abschalten gekommen. Das ist meine Tochter Trinny.«
    Trinny sah mit einem flüchtigen Lächeln auf und setzte dann ihre Beschäftigung fort, nämlich eine kakaobraune Teigmasse in eine Kuchenform aus Aluminium zu gießen. Das Rührgerät, von dessen Knethaken immer noch braune Pampe tropfte, lag neben einer offenen Schachtel Duncan-Hines-Schokoladenkuchenmischung auf der Arbeitsfläche. Trinny schob die Form in den Ofen und stellte eine Küchenuhr, die wie eine Zitrone geformt war. Sie hatte bereits eine Schachtel mit fertiger Mischung für Karamelguß aufgemacht, und ich hätte darauf wetten können, daß sie schon einen Finger voll genascht hatte. Meine Tante hatte mir zwar nie Backen beigebracht, aber sie hatte mich wiederholt vor den schändlichen Fertigbackmischungen gewarnt, die in ihren Augen direkt neben Pulverkaffee und Knoblauchsalz in Gläschen rangierten.
    Trinny war barfuß und trug ein übergroßes, weißes T-Shirt und eine ausgefranste, abgeschnittene Jeans. Nach dem Umfang ihres Hinterns zu schließen hatte sie sich bereits eine ganze Menge selbstgebackene Kuchen einverleibt. Mace machte den Kühlschrank auf und nahm ein Bier heraus. Er fand den Öffner in einer Schublade, hebelte die Flasche auf und warf den Kronkorken im Vorbeigehen in eine Mülltüte aus braunem Papier.
    Trinny und ich murmelten einander ein »Hi« zu. Berlyn, die ältere Tochter, kam in schwarzen Strümpfen und einem weißen

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