Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
sah sich um und beäugte angewidert das Innere des VWs. »So ein Schweinestall. Womöglich holt man sich eine Krankheit, wenn man in diesem Ding sitzt.«
»Wenigstens wissen Sie dann, daß er nicht bestechlich ist«, sagte ich.
»Die Bullen hier in der Stadt nehmen kein Geld«, sagte sie. »Es macht ihnen viel zuviel Spaß, Leute in den Knast zu stecken. Er hat noch ein wesentlich schöneres Auto, aber er ist zu paranoid, um es hierher mitzunehmen. So. Schluß mit dem Geplapper und dem Kennenlern-Quatsch. Was möchten Sie über Lorna wissen?«
»Alles, was Sie mir sagen können. Wie lange haben Sie sie gekannt?«
Danielle verzog den Mund zu einer Art mimischem Achselzucken. »Etwa zwei Jahre. Wir haben uns bei der Arbeit für diesen Hostessenservice kennengelernt. Sie war ein guter Mensch. Sie war wie eine Mutter zu mir. Sie war meine — wie nennt man das... Mentorin... ich hätte mehr auf sie hören sollen.«
»Weshalb?«
»Lorna war der Hammer für mich. Sie war toll. Sie hat mich echt umgehauen. Ich war praktisch total voller Ehrfurcht. Sie wußte, was sie wollte, und sie hat es sich geholt, und wenn einem nicht gepaßt hat, wie sie drauf war, so war das sein Pech.«
»Was wollte sie denn?«
»Zunächst einmal eine Million Dollar. Sie wollte mit dreißig in den Ruhestand gehen. Das hätte sie auch geschafft, wenn sie lange genug gelebt hätte.«
»Wie wollte sie das schaffen?«
»Was glauben Sie wohl?«
»Das ist aber ein hartes Stück Arbeit«, meinte ich.
»Nicht bei den Preisen, die sie verlangte. Nachdem sie beim Hostessenservice aufgehört hat. Sie hat zweihunderttausend Dollar im Jahr verdient. Zweihunderttattsend. Ich konnte es nicht fassen. Sie war schlau. Sie hat investiert. Sie hat das Geld nicht derart hinausgeworfen, wie ich es an ihrer Stelle getan hätte. Ich habe keinen Kopf für Finanzen. Was ich in der Tasche habe, gebe ich aus, und wenn es weg ist, fange ich von vorn an. Zumindest war ich so, bevor sie mir den Kopf gewaschen hat.«
»Was wollte sie denn tun, wenn sie im Ruhestand war?«
»Reisen. Relaxen. Vielleicht irgendeinen Typen heiraten, der ihr Leben lang für sie sorgen würde. Die Sache ist die... damit hat sie mich immer wieder traktiert... wenn du Geld hast, bist du unabhängig. Du kannst tun und lassen, was du willst. Wenn dich ein Kerl mißhandelt, machst du eben die Mücke. Du hast ja zwei Beine. Wissen Sie, wovon ich rede?«
»Genau meine Philosophie«, sagte ich.
»Ja, meine auch — mittlerweile. Nach ihrem Tod habe ich ein kleines Sparkonto eröffnet und zahle immer wieder ein bißchen ein. Es ist nicht viel, aber es reicht, und ich werde es liegen lassen. Das hat Lorna immer gesagt. Man bringt es auf die Bank und läßt es wachsen. Sie hat viel von ihrem Geld in Standardwerte, Kommunalobligationen und dergleichen gesteckt, aber sie hat das alles allein gemacht. Sie hatte nichts mit Anlageberatern und solchen Leuten am Hut, weil das, so hat sie gesagt, die perfekte Methode für irgendein Arschloch ist, einen auszunehmen. Wissen Sie, was Börsenmakler sind? Sie nannte sie Wertpapierzuhälter.« Sie lachte über den Ausdruck, offenbar amüsiert angesichts der Vorstellung von Zuhältern an der Wall Street. »Was ist mit Ihnen? Haben Sie Ersparnisse?«
»Ja, schon.«
»Und wo haben Sie die? Wie haben Sie die angelegt?«
»Ich habe sie als Festgeld angelegt«, sagte ich und wurde bei dem Thema etwas hellhörig. Es kam mir merkwürdig vor, meine finanzielle Strategie gegenüber einem Mädchen zu rechtfertigen, das auf den Strich ging.
»Das ist gut. Das hat Lorna zum Teil auch gemacht. Sie hatte ein Faible für steuerfreie Kommunalobligationen, und sie hat auch Geld in Staatsanleihen gesteckt, was immer das ist. Wenn man Geld hat, hat man Macht, und kein Kerl kann daherkommen und einen fertigmachen, stimmt’s?«
»Sie haben gesagt, daß sie zweihunderttausend verdient hat. Hat sie die versteuert?«
»Aber klar! Leg dich nicht mit dem Finanzamt an, das war ihre erste Regel. Das war auch das erste, was sie mir beigebracht hat. Alles, was du einnimmst, gibst du an. Wissen Sie, wie sie Al Capone und seine Kumpels gekriegt haben? Steuerhinterziehung. Wenn du das Finanzamt übers Ohr haust, landest du im Knast, wie ein Schwerverbrecher, ohne Witz.«
»Was ist mit —«
»Einen Moment mal«, unterbrach sie mich. »Lassen Sie mich noch etwas anderes fragen. Wieviel verdienen Sie?«
Ich starrte sie an. »Wieviel ich verdiene?«
»Ja, zum Beispiel letztes Jahr. Wie
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