Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
hoch war Ihr Jahreseinkommen? Wieviel haben Sie versteuert?«
»Das wird langsam ziemlich persönlich, oder nicht?«
»Sie brauchen sich nicht so zu haben. Es bleibt strikt unter uns. Erst sagen Sie es und dann ich. Eine Hand wäscht sozusagen die andere.«
»Fünfundzwanzigtausend.«
Jetzt riß sie die Augen auf. »Das ist alles? Ich habe doppelt soviel verdient. Ohne Witz. Zweiundfünfzigtausendfünfhundert und ein paar Zerquetschte.«
»Dafür haben Sie sich aber Ihre Nase gebrochen«, wandte ich ein.
»Ja, gut, und Sie haben sich Ihre Nase gebrochen. Das sehe ich doch. Soll keine Kritik sein. Ich will Sie nicht beleidigen«, sagte sie. »Sie sehen nicht schlecht aus, aber für fünfundzwanzigtausend kriegen Sie genauso Ihre Abreibung, hab’ ich recht?«
»So würde ich das nicht sehen.«
»Verarschen Sie sich doch nicht selbst. Das habe ich auch von Lorna gelernt. Sie können’s mir glauben. Ihr Job ist genauso gefährlich wie meiner, und das bei halber Bezahlung. Meiner Meinung nach sollten Sie sich was anderes suchen. Nicht, daß ich meine Branche anpreisen möchte. Ich sage Ihnen nur, was ich denke.«
»Danke für die Anteilnahme. Wenn ich mich zum Umsatteln entschließe, komme ich bei Ihnen zur Berufsberatung vorbei.«
Sie lächelte, fand meinen Sarkasmus oder was sie dafür hielt, wohl amüsant. »Ich sage Ihnen noch etwas, was sie mir beigebracht hat. Halt deinen dummen Mund. Wenn du’s mit einem Kerl treibst, erzähl es hinterher nicht herum. Und erst recht nicht den Leuten, mit denen du andauernd zu tun hast. Sie hat einmal dagegen verstoßen und sich geschworen, es nie wieder zu tun. Manche von diesen Typen... puuuh! Da ist es besser, wenn man vergißt, daß man sie je kennengelernt hat.«
»Verkehren Sie auch in diesen Kreisen? In der High Society?«
»Na ja, nicht andauernd. Zur Zeit nicht. Als sie noch gelebt hat, schon ab und zu. Manchmal hat sie mich sagenhaft ausstaffiert und zu einem dicken Fisch mitgenommen. Mich und diese andere, Rita heißt sie. So was Irres! Manche Typen stehen auf ganz Junge. Man rasiert sich die Schamhaare und tut so, als wäre man nicht älter als zehn. Wie an diesem einen Abend. Ich habe über fünfzehnhundert Dollar verdient. Fragen Sie mich nicht, was ich dafür tun mußte. Das ist auch etwas, worüber man nicht spricht. Lester hätte mich umgebracht, wenn er es herausgekriegt hätte.«
»Was ist mit ihrem ganzen Geld passiert, als sie gestorben ist?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Das müßten Sie ihre Familie fragen. Ich wette, daß sie kein Testament hatte. Ich meine, wozu hätte sie ein Testament brauchen sollen? Sie war jung. Na ja, fünfundzwanzig, aber das ist noch nicht so alt. Ich wette, sie war sich sicher, daß sie noch Jahre vor sich hatte, und dann stellt sich heraus, daß es damit nichts war.«
»Wie alt sind Sie?«
»Dreiundzwanzig.«
»Sind Sie nicht.«
»Bin ich schon .«
»Danielle, das stimmt nicht.«
Sie lächelte schwach. »Okay, ich bin neunzehn, aber reif für mein Alter.«
»Siebzehn trifft es wahrscheinlich eher, aber belassen wir es dabei.«
»Fragen Sie mich lieber noch etwas über Lorna. Sie verschwenden Ihr Geld, wenn Sie nach mir fragen.«
»Was hat Lorna in der Wasseraufbereitungsanlage gemacht? Es klingt nicht danach, als sei dieser Job auch nur den Halbtagsverdienst wert gewesen.«
»Sie mußte ja irgend etwas arbeiten. Sie konnte doch ihren Eltern nicht erzählen, womit sie ihr Geld verdiente. Sie waren ziemlich konservativ; zumindest ihr Dad. Ich habe ihre Mutter bei der Beerdigung kennengelernt und fand sie recht nett. Ihr Alter war ein Arsch, war ihr die ganze Zeit auf den Fersen und hat ihr nachspioniert. Lorna war wild und ungestüm, sie wollte nicht kontrolliert werden.«
»Ich habe heute schon mit ihrem Vater gesprochen, und er hat gesagt, daß Lorna nicht viele Freunde hatte.«
Danielle wehrte das mit einem Kopfschütteln ab. »Was weiß der schon? Bloß weil er nie welche kennengelernt hat. Lorna mochte Nachtmenschen. Alle, die sie kannte, kamen nach Sonnenuntergang aus ihren Verstecken. Wie Spinnen und diese ganzen — wie heißt das doch gleich — nachtaktiven Lebewesen. Eulen und Fledermäuse. Wenn Sie ihre Freunde kennenlernen möchten, gewöhnen Sie sich besser daran, die ganze Nacht auf Achse zu sein. Was noch? Das macht Spaß. Ich wußte gar nicht, daß ich so schlau bin.«
»Was war mit dem Pornofilm? Warum hat sie den gedreht?«
»Ach, die alten Gründe, die alten Gründe. Sie wissen
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