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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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bei allen anderen. Das ist völliger Schwachsinn. Ich habe noch keine Hure kennengelernt, die es gratis mit einem Typ treiben würde. Und überhaupt, Hurensex ist doch für den Arsch. Wenn er sich einbildet, das sei ein Geschenk, dann ist er der Dumme.«

8

    Es war schon fast halb zwei Uhr morgens, als ich meinen VW auf dem kleinen Parkplatz vor der Notaufnahme des St. Terry’s Hospital abstellte. Nach meiner Unterhaltung mit Danielle hatte mich Cheney wieder bei mir zu Hause abgesetzt. Ich war durch das quietschende Tor nach hinten gegangen. Ich hörte Cheney kurz hupen, dann fuhr er weg. Der Nachthimmel war immer noch klar und sternenhell, aber ich sah, daß sich im Westen wie vorhergesagt vereinzelte Wolken sammelten. Ein Flugzeug kreuzte mein Blickfeld, ein ferner, roter Punkt, der zwischen den weißen Nadelspitzen blinkte und dessen Motorenlärm ihm nachwehte wie ein Transparent, das fürs Fliegen warb. Das letzte Viertel des Mondes war so schmal geworden wie die Sichel eines Hirtenstabs, und innerhalb der Rundung hing eine Wolke wie ein Wattebausch. Ich hätte schwören können, daß ich immer noch die hämmernde Musik hörte, unter der Neptune’s Palace erzitterte. Der Club lag schließlich nicht einmal anderthalb Kilometer von meiner Wohnung entfernt, und ich halte es für möglich, daß das Geräusch so weit trug. Wahrscheinlicher war aber, daß es aus einer Stereoanlage oder einem Autoradio in der Nähe drang. Im Vergleich zum Rauschen der Flut des Ozeans, der nur einen halben Häuserblock entfernt lag, war das schwach hörbare Stampfen der Bässe ein gedämpfter Kontrast, dumpf, einschmeichelnd und verschwommen.
    Mit den Schlüsseln in der Hand blieb ich stehen und lehnte den Kopf kurz gegen meine Wohnungstür. Ich war müde, aber seltsamerweise nicht an Schlaf interessiert. Ich bin seit jeher ein Tagmensch gewesen, eine unerschütterliche Frühaufsteherin, süchtig nach Morgensonne in einer Welt, die sich zwischen neun und siebzehn Uhr abspielt. Gelegentlich arbeite ich durchaus noch spät, aber meistens komme ich am frühen Abend nach Hause, und um elf Uhr schlafe ich fest. Heute abend wurde ich schon wieder von Ruhelosigkeit getrieben. Ein lang unterdrückter Teil meiner Persönlichkeit war zum Vorschein gekommen, und ich spürte, wie ich auf ihn reagierte. Ich wollte mit Serena Bonney sprechen, der Krankenschwester, die Lornas Leiche entdeckt hatte. Irgendwo in all den Worten, aus denen sich langsam Lorna Keplers Portrait ergab, lag der Schlüssel zu ihrem Tod. Ich ging durch das Tor zurück und schloß es lautlos hinter mir.

    Die Notaufnahme wirkte verlassen. Die Glasschiebetüren öffneten sich mit leisem Rauschen, und ich trat in die Stille des blau und grau gehaltenen Raums ein. Am Empfang brannte Licht, aber die Schalter, an denen Patienten registriert wurden, waren schon seit Stunden geschlossen. Der Warteraum zur Linken, hinter einer Trennwand mit Münztelefonen, war leer und das Fernsehgerät, das dort stand, zeigte nur eine glatte, graue Fläche. Ich spähte nach rechts, wo die Untersuchungsräume lagen. Die meisten von ihnen lagen im Dunkeln, und die Rundumvorhänge waren zurückgezogen und an ihren Schienen befestigt worden. Aus einer kleinen Teeküche im rückwärtigen Teil der Station konnte ich das Aroma frisch gebrühten Kaffees riechen. Eine junge Schwarze in einem weißen Laborkittel kam aus einer Tür, über der »Bettwäsche« stand. Sie war klein und hübsch. Als sie mich sah, blieb sie stehen und lächelte mir zu. »Oh, tut mir leid. Ich wußte nicht, daß jemand hier ist. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich suche Serena Bonney. Arbeitet sie in dieser Schicht?«
    Sie sah auf ihre Uhr. »Sie müßte gleich wieder da sein. Im Moment hat sie Pause. Möchten Sie sich setzen? Der Fernseher funktioniert nicht, aber es gibt jede Menge Zeitschriften.«
    »Danke.«
    Die nächste Viertelstunde las ich alte Ausgaben der Zeitschrift Family Circle: Artikel über Kinder, Gesundheit und Fitneß, Ernährung, Inneneinrichtung und preisgünstige Heimwerkerprodukte, die Dad in seiner Freizeit anfertigen konnte — eine Holzbank, ein Baumhaus und ein rustikales Wandbord für Moms pittoresken Kräutergarten in Blumentöpfen. Auf mich wirkte es, als läse ich über das Leben auf einem fremden Planeten. Die ganzen Anzeigen bildeten so ungemein perfekte Frauen ab. Die meisten waren dreißig Jahre alt, weiß und besaßen einen makellosen Teint und schneeweiße, kerzengerade Zähne. Keine von ihnen hatte

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