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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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breite Hüften oder einen känguruhartigen Bauch, der ihre Hosen ausbeulte. Nirgends waren Anzeichen von Zellulitis, Krähenfüßen oder bis in die Taille hängenden Brüsten zu sehen. Diese perfekten Frauen lebten in ordentlich aufgeräumten Häusern mit glänzenden Fußböden, einer unüberschaubaren Phalanx von Haushaltsgeräten, überdimensionalen, wuschligen Hunden und unsichtbaren Männern. Vermutlich war Dad zwischen seinen Holzarbeiten ins Büro abkommandiert worden. Verstandesmäßig war mir klar, daß es sich ausnahmslos um gutbezahlte Models handelte, die lediglich als Hausfrauen posierten, um Binden, Bodenbeläge und Hundefutter zu verkaufen. Ihr Leben hatte mit einem Hausfrauendasein wahrscheinlich genausowenig zu tun wie meines. Aber was sollte man machen, wenn man tatsächlich Hausfrau war und von all diesen Bildern der Vollkommenheit überrollt wurde? Aus meiner Sicht gab es keinerlei Verbindung zwischen meinem Lebensstil (Huren, Tod, Single-Dasein, Faustfeuerwaffen und Fast food) und dem, der in der Zeitschrift dargestellt wurde, und vermutlich war das auch ganz gut so. Was würde ich schon mit einem wuschligen Hund und Töpfchen voller Dill und Majoran anfangen?
    »Ich bin Serena Bonney. Sie wollten mich sprechen?«
    Ich blickte auf. Die Krankenschwester, die in der Tür stand, war Anfang Vierzig und relativ groß, vielleicht 1,77. Sie war nicht direkt dick zu nennen, aber sie trug eine Menge Gewicht mit sich herum. Die Frauen in ihrer Familie beschrieben sich selbst vermutlich als »von kräftigem, bäuerlichem Schlag«.
    Ich legte die Illustrierte beiseite, stand auf und streckte die Hand aus. »Kinsey Millhone«, sagte ich. »Lornas Mutter hat mich engagiert, um ihren Tod zu untersuchen.«
    ■

    »Noch einmal?« fragte sie, während sie mir die Hand schüttelte.
    »Der Fall ist ja im Grunde nie abgeschlossen worden. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«
    »Eine merkwürdige Uhrzeit für Ermittlungen.«
    »Dafür muß ich mich entschuldigen. Normalerweise würde ich Sie nicht in der Arbeit belästigen, aber ich leide seit zwei Nächten unter Schlaflosigkeit und dachte, ich könnte ebensogut die Tatsache ausnutzen, daß Sie nachts arbeiten.«
    »Ich weiß eigentlich nicht viel, aber ich werde tun, was ich kann. Kommen Sie doch mit nach hinten. Im Moment ist es ruhig, aber das kann sich rasch ändern.«
    Wir passierten zwei Untersuchungsräume und betraten ein kleines, spärlich möbliertes Büro. Wie die Schwestern oben trug sie normale Straßenkleidung: eine weiße Baumwollbluse, beige Gabardinehosen und eine dazu passende Weste. Die Schuhe mit den Kreppsohlen erinnerten daran, daß sie stundenlang auf den Beinen war. Serena blieb am Türrahmen stehen und beugte sich in den Flur hinaus. »Ich bin hier, wenn du mich brauchst, Joan.«
    »Kein Problem«, lautete die Antwort.
    Serena ließ die Tür angelehnt und stellte ihren Stuhl so, daß sie den Korridor im Auge behalten konnte. »Tut mir leid, daß Sie warten mußten. Ich war oben auf Station. Mein Vater liegt seit ein paar Tagen wieder hier, und ich versuche, so oft es geht bei ihm reinzuschauen.« Sie hatte ein breites, faltenloses Gesicht mit hohen Wangenknochen. Ihre Zähne waren gerade und viereckig, aber leicht verfärbt, vielleicht die Folge von Krankheit oder schlechter Ernährung in der Jugend. Ihre Augen waren blaßgrün, die Brauen hell.
    »Ist er ernstlich krank?« Ich setzte mich auf einen Chromsessel mit einer Sitzfläche aus blauem Tweed.
    »Vor einem Jahr hatte er einen schweren Herzinfarkt und bekam einen Schrittmacher. Er hat ständig Probleme damit, und man wollte das überprüfen. Er neigt ein bißchen zur Aufsässigkeit. Mit seinen fünfundsiebzig Jahren ist er nämlich noch äußerst aktiv. Er leitet praktisch das Wasseramt von Colgate, und es ist ihm ein Greuel, eine Sitzung zu verpassen. Adrenalin läßt ihn aufblühen.«
    »Ihr Vater ist nicht zufällig Clark Esselmann?«
    »Sie kennen ihn?«
    »Ich kenne seinen Ruf. Ich hatte ja keine Ahnung. Er schlägt doch andauernd Krach bei den Bauunternehmern.« Seit fünfzehn Jahren, nachdem er seine Grundstücksfirma verkauft und sich ins Privatleben zurückgezogen hatte, war er in der Lokalpolitik tätig. Soweit ich gehört hatte, war er von aufbrausendem Gemüt und hatte eine gefürchtete Zunge, die — je nachdem, worum es ging — von Bissigkeit bis zu Eloquenz alles bot. Er war dickköpfig und direkt und saß als respektables Mitglied im Vorstand von einem halben Dutzend

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