Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Wohltätigkeitsorganisationen.
Sie lächelte. »Das ist er«, sagte sie und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das kupferfarben war, eine Mischung aus rot und dunkelgold. Es sah aus, als hätte sie eine Art Dauerwelle, da die Locken zu ausgeprägt waren, um ganz natürlich zu sein. Es war kurz und unkompliziert geschnitten. Ich stellte sie mir vor, wie sie sich nach ihrer morgendlichen Dusche die Haare bürstete. Sie hatte große Hände und kurz geschnittene, aber adrett manikürte Nägel. Sie gab Geld für sich aus, allerdings nicht in auffälliger Form. Hätte ich unter einer Krankheit oder den Folgen eines Unfalls gelitten, ich hätte ihr auf den ersten Blick vertraut.
Ich murmelte etwas Belangloses und wechselte das Thema. »Was können Sie mir über Lorna sagen?«
»Ich kannte sie nicht gut. Das sollte ich wohl vorausschicken.«
»Janice hat erwähnt, daß Sie mit dem Mann verheiratet sind, für den Lorna in der Wasseraufbereitungsanlage gearbeitet hat.«
»Mehr oder weniger«, sagte sie. »Roger und ich leben seit ungefähr anderthalb Jahren getrennt. Ich sage Ihnen, die letzten paar Jahre waren absolut entsetzlich. Meine Ehe ist zerbrochen, mein Vater hatte einen Herzinfarkt, und dann ist auch noch meine Mutter gestorben. Danach sind Daddys gesundheitliche Probleme noch schlimmer geworden. Lorna hat ihn betreut, wenn ich weg mußte.«
»Sie haben sie über Ihren Mann kennengelernt?«
»Ja. Sie hat etwas über drei Jahre für Roger gearbeitet, und so bin ich ihr regelmäßig begegnet, wenn ich in der Anlage vorbeikam. Außerdem habe ich sie im Sommer auf Firmenpicknicks und bei der alljährlichen Weihnachtsfeier getroffen. Ich fand sie faszinierend. Zweifellos wesentlich klüger, als es für den Job erforderlich war.«
»Sind Sie miteinander ausgekommen?«
»Einwandfrei.«
Ich hielt inne und überlegte, wie ich die Frage formulieren sollte, die mir in den Sinn gekommen war. »Falls es nicht zu persönlich ist, könnten Sie mir dann etwas über Ihre Scheidung erzählen?«
»Meine Scheidung?« sagte sie.
»Wer hat sie eingereicht? Sie oder Ihr Mann?«
Sie legte den Kopf schief. »Das ist eine merkwürdige Frage. Warum wollen Sie das wissen?«
»Ich habe mich gefragt, ob Ihre Trennung von Roger irgend etwas mit Lorna zu tun hatte.«
Serenas Lachen kam rasch und klang erstaunt. »Ach, du liebe Zeit. Ganz und gar nicht«, sagte sie. »Wir waren seit zehn Jahren verheiratet und fingen beide an, uns zu langweilen. Er war derjenige, der das Thema anschnitt, aber ich habe ihm mit Sicherheit keine Schwierigkeiten gemacht. Ich verstand, wie er darauf kam. Er hat das Gefühl, sein Job ist eine Sackgasse. Seine Arbeit gefällt ihm zwar, aber reich wird er dabei nie werden. Er gehörte zu den Männern, deren Leben ihren eigenen Erwartungen nicht entspricht. Früher hat er sich vorgestellt, daß er mit fünfzig im Ruhestand sein würde. Nun ist er schon darüber hinaus und hat immer noch keinen roten Heller. Dagegen habe ich nicht nur einen Beruf, den ich mit Leidenschaft ausübe, sondern werde auch eines Tages das Familienvermögen erben. Damit zu leben war zuviel für ihn. Wir stehen nach wie vor auf freundschaftlichem Fuß miteinander, nur daß wir nicht mehr eng miteinander vertraut sind, was Sie sich gern von ihm bestätigen lassen können.«
»Ich glaube Ihnen«, sagte ich, obwohl ich es natürlich überprüfen würde. »Wie war das mit der Betreuung? Wie ist Lorna dazu gekommen?«
»Das weiß ich nicht mehr genau. Vermutlich habe ich beiläufig erwähnt, daß ich jemanden brauche. Ihre Behausung war klein und erstaunlich primitiv. Ich dachte, es würde ihr gefallen, sich ab und zu in einer gepflegteren Umgebung aufzuhalten.«
»Wie oft hat sie ihn betreut?«
»Insgesamt vielleicht fünf- oder sechsmal. Sie war eine Weile nicht mehr dagewesen, aber Roger meinte, sie sei nach wie vor dazu bereit. Ich könnte zu Hause in meinem Terminkalender nachsehen, falls es von Belang ist.«
»Momentan weiß ich noch nicht, was von Belang ist und was nicht. Waren Sie mit ihr zufrieden?«
»Sicher. Sie war verantwortungsbewußt, fütterte den Hund und ging mit ihm spazieren, goß die Pflanzen und holte die Zeitung und die Post herein. Sie ersparte mir die Kosten für die Hundepension, und ich war froh, jemanden im Haus zu haben, solange ich weg war. Nachdem Roger und ich uns getrennt hatten, zog ich zu meinen Eltern zurück. Mir war nach einem Tapetenwechsel zumute, und Dad mußte wegen seines Gesundheitszustands
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