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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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versteckte Anspielungen.« Serena hatte mit den Zeigefingern beider Hände die Anführungszeichen um das Wort Beruf angedeutet.
    »Ich bin einfach neugierig. Wie kommt es, daß Sie sich so genau erinnern? Die meisten Leute wissen nicht einmal mehr, was gestern passiert ist.«
    »Die Polizei hat mich das meiste davon schon einmal gefragt, und ich habe es im Gedächtnis behalten. Außerdem habe ich viel darüber nachgedacht. Ich habe keine Ahnung, warum sie ermordet wurde, und es belastet mich.«
    »Sie glauben, sie ist ermordet worden?«
    »Ich halte es für wahrscheinlich, ja.«
    »Wußten Sie, daß sie mit Pornographie zu tun hatte?«
    Serena runzelte leicht die Stirn. »Inwiefern?«
    »Sie hat in einem Video mitgespielt. Jemand hat die Kassette vor einem Monat ihren Eltern geschickt.«
    »Was war es denn? Ein Film, in dem jemand umgebracht wird? Sado-Maso?«
    »Nein. Was die Geschichte und das Thema anging, war er ziemlich hausbacken, aber Mrs. Kepler hat den Verdacht, er könnte etwas mit Lornas Tod zu tun haben.«
    »Sie auch?«
    »Ich werde nicht dafür bezahlt, daß ich mir jetzt schon eine Meinung bilde. Ich möchte mir alles offenhalten.«
    »Das verstehe ich«, sagte sie. »Es ist, wie wenn man eine Diagnose stellt. Man sollte das Offensichtliche nie ausschließen.«
    Es klopfte an der Tür, und Joan äugte herein. »Tut mir leid, wenn ich störe, aber wir haben hier drüben ein Baby, das du dir mal ansehen solltest. Ich habe schon den Assistenzarzt gerufen, aber ich finde, du solltest auch einen Blick auf den Kleinen werfen.«
    Serena stand auf. »Melden Sie sich, wenn es noch etwas gibt«, sagte sie zu mir, während sie auf die Tür zuging.
    »Das werde ich tun. Und vielen Dank.«
    Durch die verlassenen Straßen fuhr ich zu meiner Wohnung zurück. Langsam begann ich mich in der nächtlichen Welt heimisch zu fühlen. Das Wesen der Dunkelheit wechselt von Stunde zu Stunde. Wenn erst einmal die Bars schließen und der Verkehr spärlich wird, tritt um drei Uhr morgens die absolute Stille ein. Die Kreuzungen liegen verlassen da. Die Ampeln bilden mit ihren leuchtenden Os in Rot und Seegrün glitzernde Ketten, die man Hunderte von Metern weit sehen kann.
    Die Wolken zogen sich enger zusammen. An den Bergen hing der Nebel dicht wie Watte, und die mit Straßenlampen besetzten grauen Hügel hoben sich vor dem Hintergrund des wabernden Dunstes ab. Die Fenster der meisten Wohnhäuser, die ich sah, waren dunkel. Wo noch vereinzelt Licht brannte, stellte ich mir Studenten vor, die sich in letzter Minute eine Seminararbeit abrangen, der Alptraum junger Menschen. Vielleicht brannten die Lichter aber auch für erst neuerdings schlaflos Gewordene wie mich.
    Ein Polizeiauto fuhr langsam den Cabana Boulevard hinunter, und der uniformierte Beamte drehte sich um und starrte mir nach, als ich vorbeifuhr. Ich bog nach links in meine Straße ein und fand gleich einen Parkplatz. Ich stieg aus und sperrte den Wagen ab. Inzwischen war der Himmel samtig von Wolken, und man konnte keinen einzigen Stern mehr sehen. Dunkelheit umfing die Erde, während der Himmel von gespenstischem Licht gefärbt war wie dunkelgraues Transparentpapier mit weißen Kreideflecken. Hinter mir hörte ich das leise Zischen von Luft, die rasch durch Fahrradspeichen gleitet. Ich drehte mich noch rechtzeitig genug um, um einen Mann auf einem Fahrrad vorüberfahren zu sehen. Sein Rücklicht und die Streifen reflektierenden Klebebands auf seinen Fersen ließen ihn von hinten aussehen wie jemand, der mit drei kleinen Lichtpunkten jongliert. Die Wirkung war seltsam beunruhigend, eine Zirkusnummer der Geister, einzig und allein für mich vorgeführt.
    Ich schritt durch das Tor, ging in meine Wohnung und machte das Licht an. Alles war aufgeräumt, genauso wie ich es verlassen hatte. Die Stille durchdrang alles. Ich spürte einen leisen Anflug von Unruhe, ausgelöst durch Erschöpfung, die späte Stunde und die leeren Räume um mich herum. So würde ich nie einschlafen können. Es war wie beim Hunger: Wenn der Heißhunger vorüber war, nahm der Appetit ab und man kam einfach ohne Essen aus. Essen, schlafen — worin lag denn schon der Unterschied? Der Stoffwechsel schaltet auf Sparflamme und holt sich die Energie aus irgendeiner anderen Quelle. Wäre ich um neun oder auch zehn Uhr zu Bett gegangen, hätte ich die Nacht durchschlafen können. Doch nun war meine Schlaferlaubnis abgelaufen. Nachdem ich nun schon so lange aufgeblieben war, war ich zu weiterem Wachbleiben

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