Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
gehört, und die einzigen Kennedys, die ihr ein Begriff waren, sind Caroline und John-John.«
»War ja nur eine Möglichkeit«, sagte ich. »Ich habe dasselbe Thema bei Serena angesprochen und mich gefragt, ob Lorna in irgendeiner Form mit Ihrer Scheidung zu tun hatte.«
»Nicht im geringsten. Meiner Ehe mit Serena ging einfach die Luft aus. Manchmal denke ich, Meinungsverschiedenheiten wären noch besser gewesen. Konflikte haben etwas Zündendes an sich. Zwischen uns war alles lahm.«
»Serena sagt, Sie wollten die Scheidung.«
»Tja, das stimmt«, sagte er, »aber ich habe mir ein Bein ausgerissen, um den freundschaftlichen Rahmen zu wahren. Es ist so, wie ich zu meinem Anwalt gesagt habe: Ich fühle mich ohnehin schon schuldig genug, also machen wir es nicht noch schlimmer. Ich habe Serena sehr gern. Sie ist ein wahnsinnig nettes Mädchen, und ich halte große Stücke auf sie. Ich bin nur einfach noch nicht bereit, ohne Leidenschaft zu leben. Ich kann bloß hoffen, daß sie die Situation ähnlich dargestellt hat.«
»Das hat sie durchaus«, sagte ich, »aber im Zusammenhang mit Lornas Tod war es die Sache wert, überprüft zu werden.«
»Aha. Natürlich hat es mir unheimlich leid getan, als ich hörte, was mit ihr passiert ist. Sie war ehrlich und flink, und soweit ich weiß, kam sie mit allen gut aus.« Ich sah, wie er unter dem Vorwand, das Armband zurechtzurücken, unauffällig auf seine Uhr sah.
Ich richtete mich auf. »Ich sollte Sie jetzt besser gehen lassen«, sagte ich. »Sie sind mit den Gedanken schon ganz woanders.«
»Das muß ich wohl zugeben, jetzt wo Sie es sagen. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für unhöflich.«
»Überhaupt nicht. Danke, daß Sie mir soviel Zeit gewidmet haben. Die nächsten zwei Tage bin ich verreist, aber ich melde mich vielleicht wieder bei Ihnen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Aber sicher. Manchmal bin ich schwer zu erreichen, aber Sie können jederzeit bei Melinda nachfragen. Am Samstag machen wir wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten zu, deshalb werde ich hier sein, falls Sie mich brauchen.«
»Ich werd’s mir merken. Wenn Ihnen in der Zwischenzeit etwas einfällt, würden Sie mich dann anrufen?«
»Sicher«, sagte er.
Ich hinterließ eine weitere Visitenkarte. Wir schüttelten uns über dem Schreibtisch die Hände, dann brachte er mich hinaus. Neben Melindas Tisch warteten zwei Inspektoren. Der männliche Teil trug ein Sporthemd, Jeans und Tennisschuhe. Mir fiel auf, daß seine Kollegin wesentlich besser gekleidet war. Roger begrüßte sie freundlich und winkte mir noch rasch zu, als er sie den Flur entlang geleitete.
Ich fuhr zu meinem Büro. Es war mitten am Nachmittag, und die schwachen Strahlen der Wintersonne drängten durch die Wolkendecke. Der Himmel war weiß und das Gras lebhaft limonengrün gefärbt. Der Februar bringt Santa Teresa einen Dschungel von Geranien in leuchtendem Pink, magentafarbenen Bougainvilleen und orangeroter Kapuzinerkresse. Mittlerweile war ich daran gewöhnt, in der Dunkelheit zu agieren, und das Licht erschien mir hart und die Farben zu grell. Die Nacht wirkte weicher, wie eine Flüssigkeit, die alles einhüllte, kühl und besänftigend.
Ich ging zum Seiteneingang hinein und setzte mich an meinen Schreibtisch, wo ich verschiedene Papiere hin- und herschob und versuchte, so zu tun, als verfolgte ich ein Ziel. Für Gesellschaft war ich viel zu müde, und der Mangel an Schlaf erzeugte erneut das Gefühl, bekifft zu sein. Mir war, als hätte ich zwei Tage lang ununterbrochen Haschisch geraucht. Zugleich verursachte der Kaffeekonsum ein knisterndes Geräusch mitten im Gehirn, ähnlich einer Antenne, die Signale aus dem Weltraum empfängt. Gleich würden Funksprüche der Venusbewohner die bevorstehende Invasion ankündigen, aber ich wäre viel zu daneben, um die Polizei zu alarmieren. Ich legte den Kopf auf den Schreibtisch und versank in Bewußtlosigkeit.
Nach einer Stunde und fünf Minuten im tiefsten aller Nickerchen klingelte das Telefon. Das Geräusch durchfuhr mich wie eine Kettensäge. Ich sprang auf wie angestochen. Dann packte ich den Hörer und meldete mich, wobei ich mich bemühte, hellwach zu klingen.
»Miss Millhone? Hier ist Joe Ayers. Was kann ich für Sie tun?«
Ich kam nicht dahinter, wer zum Teufel er war. »Mr. Ayers, vielen Dank für Ihren Anruf«, sagte ich begeistert. »Einen Moment bitte.« Ich legte die Hand über die Sprechmuschel. Joe Ayers. Joseph Ayers. Ah. Der Pornofilmproduzent. Ich legte den Hörer
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