Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Titten sind.«
»Ich versichere Ihnen, das bin ich nicht. Es ist alles völlig legitim. Sie können sich meine Befugnis bei der Polizei von Santa Teresa bestätigen lassen.«
»Sie hätten mich nicht zu einem übleren Zeitpunkt erwischen können. Ich bin gerade von einem sechswöchigen Europa-Aufenthalt zurückgekommen. Meine Frau veranstaltet heute abend irgendeinen idiotischen Schwof, bei dem ich mitmachen soll. Sie haut ein Vermögen auf den Kopf, und ich kenne nicht einmal die Hälfte der Leute, die sie eingeladen hat. Außerdem bin ich sowieso schon todmüde.«
»Was ist mit morgen?«
»Da ist es noch schlimmer. Ich habe einiges zu erledigen.«
»Dann heute abend? Ich kann wahrscheinlich in ein paar Stunden da sein.«
Er schwieg, aber seine Verärgerung war greifbar. »Ach, verflucht. In Ordnung. Was soll’s«, sagte er. »Wenn Sie tatsächlich herauffliegen, können Sie mich ja anrufen. Wenn mir danach ist, rede ich mit Ihnen. Wenn nicht, Pech gehabt. Mehr kann ich Ihnen nicht versprechen, und ich werde vermutlich bereits das bedauern.«
»Wunderbar. Hervorragend. Kann ich Sie wieder unter derselben Nummer erreichen?«
Er seufzte und zählte vermutlich bis zehn. Ich hatte ihn so maßlos genervt, daß wir schon fast Freunde geworden waren. »Ich gebe Ihnen meine Privatnummer. Bei der Gelegenheit kann ich Ihnen auch gleich die Adresse geben. Sie klingen, als könnten Sie entsetzlich lästig werden, wenn Sie nicht bekommen, was Sie wollen.«
»Ich bin fürchterlich«, sagte ich.
Er nannte mir seine Privatadresse.
»Und jetzt gehe ich ins Bett«, sagte er. Ich hörte, wie der Hörer aufgeknallt wurde.
Ich rief Lupe, meine Kontaktperson im Reisebüro, an und bat sie, mir einen Platz für den nächsten Flug zu reservieren. Dummerweise war bis neun Uhr abends alles ausgebucht. Sie ließ mich auf die Warteliste setzen und sagte mir, ich solle schon zum Flughafen hinausfahren. Ich ging in meine Wohnung und warf ein paar Dinge in einen Seesack. In letzter Minute fiel mir ein, daß ich ja Ida Ruth gar nicht mitgeteilt hatte, wo ich hinfuhr. Ich rief sie zu Hause an.
Sie gab folgenden Kommentar ab, als sie hörte, daß ich nach San Francisco fliegen würde: »Nun, ich hoffe, du hast etwas Besseres an als Jeans und Rollkragenpullover.«
»Ida Ruth, ich fühle mich beleidigt. Es ist rein geschäftlich«, sagte ich.
»Ä-hä. Sieh nach unten und beschreibe, was du anhast. Obwohl — spar’s dir. Ich bin sicher, du siehst umwerfend aus. Möchtest du mir eine Nummer geben, unter der du zu erreichen bist?«
»Ich weiß nicht, wo ich übernachten werde. Ich rufe an, wenn ich dort bin und lasse es dich wissen.«
»Sprich es auf den Anrufbeantworter im Büro. Bis du in San Francisco ankommst, liege ich im Bett«, sagte sie. »Paß auf dich auf.«
»Ja, Madam. Ich versprech’s.«
»Nimm ein paar Vitamine ein.«
»Mach’ ich. Bis dann«, sagte ich.
Ich räumte meine Wohnung auf für den Fall, daß das Flugzeug abstürzte, und brachte als Abschiedsgeste für die Götter den Müll hinaus. Wie wir alle wissen, wird genau an dem Tag, an dem ich dieses wichtige Ritual vergesse, der Flieger abschmieren, und alle werden sich denken, was für eine Schlampe ich war. Außerdem möchte ich, daß in meiner Behausung Ordnung herrscht. Wenn ich von einer Reise nach Hause komme, möchte ich einen erfreulichen Anblick vor mir haben und kein Tohuwabohu.
10
Am Flughafen angekommen, stellte ich den VW auf einem der Plätze für Langzeitparker ab und trottete zum Terminal. Wie die meisten öffentlichen Gebäude in Santa Teresa hat auch der Flughafen einen leicht spanischen Einschlag: anderthalb Stockwerke weißer Stuck mit einem roten Ziegeldach, Bögen und einer geschwungenen Treppe an der Seite. Drinnen gab es lediglich fünf Flugsteige für Abflüge, einen winzigen Zeitschriftenkiosk im Erdgeschoß und einen bescheidenen Coffee Shop im ersten Stock. Am Schalter von United holte ich mein Ticket ab und nannte der Angestellten meinen Namen, für den Fall, daß auf einem früheren Flug ein Platz frei wurde. Daraus wurde leider nichts. Ich suchte mir einen Sitzplatz in der Nähe, stützte den Kopf in die Faust und döste wie eine Pennerin vor mich hin, bis mein Flug aufgerufen wurde. In der Wartezeit hätte ich leicht mit dem Auto nach San Francisco fahren können.
Das Flugzeug war ein kleiner Floh mit fünfzehn Sitzen, von denen zehn besetzt waren. Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Hochglanzmagazin der Airline zu, das in
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