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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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den Himmel und explodierte matt in der stillen Dunkelheit des Viertels.
    Ich klingelte anweisungsgemäß. Ein Dienstmädchen in schwarzer Uniform machte die Tür auf und trat zurück, um mich einzulassen. Ich nannte ihr meinen Namen und sagte ihr, daß Mr. Ayers mich erwarte. Es schien ihr völlig gleichgültig zu sein, und das schwarze Allzweckkleid fand sie offenbar ganz in Ordnung. Sie nickte und verschwand, was mir gestattete, meine Umgebung in Augenschein zu nehmen. Die Diele war rund, und auf der rechten Seite schwang sich eine Treppe aus schwarzem Marmor nach oben. Die Deckenrosette lag ganze zwei Stockwerke höher und umschloß einen üppigen Kronleuchter voller Gold und glitzerndem Kristall. Eines Tages würde ihn ein Erdbeben mit voller Wucht herabschmettern, und das Dienstmädchen würde wie ein Zeichentrick-Kojote plattgewalzt.
    Nach geraumer Zeit erschien ein weiterer Mann im Smoking und geleitete mich in den hinteren Teil des Hauses. Der Fußboden bestand aus schwarzen und weißen Marmorquadraten, die schachbrettartig ausgelegt waren. Die Decken in den Räumen, durch die wir kamen, waren an die vier Meter hoch und mit Gipsgirlanden eingefaßt, von denen merkwürdige Kobolde auf uns herunterblickten. Die Wände im Flur waren mit dunkelroter Seide überzogen und zur Geräuschdämpfung gepolstert. Meine eingehende Betrachtung nahm mich derart in Anspruch, daß ich beinahe gegen eine Tür gelaufen wäre. Der Butler butlerte weiter und ignorierte mich diskret, als ich erschrocken aufjaulte.
    Er führte mich in die Bibliothek und zog beim Verlassen des Raumes die Doppeltür hinter sich zu. Ein großer orientalischer Teppich breitete sein verschwommenes, malvenfarbiges Muster über dem Parkett aus. Linkerhand wurde der Raum von einem massiven, antiken Schreibtisch aus Mahagoni und Teak mit Messingintarsien beherrscht. Die Polstermöbel — ein überdimensioniertes Sofa und drei wuchtige Sessel — waren mit burgunderrotem Leder bezogen. Der Raum war funktionell und wurde umfassend genutzt; es war kein gewolltes Arrangement, das aufgestellt worden war, um andere zu beeindrucken. Ich konnte Aktenschränke sehen, einen Computer mit Zubehör, ein Faxgerät, einen Kopierer und ein Telefon mit vier Amtsleitungen. An drei Wänden standen Mahagoniregale voller Bücher, von denen eine Abteilung Drehbüchern vorbehalten war, deren Titel mit Filzstift auf den Rücken geschrieben stand.
    An der vierten Wand führten hohe Glastüren in das ummauerte Grundstück hinter dem Haus, wo die Party in vollem Gange war. Der Geräuschpegel war gestiegen, doch wurde der Lärm zum größten Teil von den mit Querstreben unterteilten Fensterscheiben gedämpft. Für den besonderen Anlaß hatte man in Teilen des riesigen Gartens Zelte aufgestellt, durch deren rote Planen das Kerzenlicht schimmerte. Hohe Propangasheizkörper waren um das Gelände herum aufgestellt worden, um die kalte Nachtluft zu erwärmen. Durch alle Büsche und Bäume zogen sich winzige Glühbirnen. Jeder Zweig hob sich durch leuchtende Stecknadelköpfe von den anderen ab. Auf den Tischen lagen rote Satindecken. Der Tischschmuck bestand aus Gestecken dunkelroter Rosen und Nelken. Ich sah, wie die Leute vom Partyservice noch einen kalten Mitternachtsimbiß auftischten — bestimmt Blutwurst.
    Die Einladungen mußten genaue Kleidervorschriften enthalten haben. Alle Männer waren im schwarzen Smoking, während die Frauen entweder lange Abendkleider oder Cocktailkleider in Rot und Schwarz anhatten. Die Frauen waren schlank und trugen ihr Haar wie einen Schmuck, gefärbt in diesem seltsamen kalifornischen Blond, das Frauen über fünfzig offenbar gefiel. Ihre Gesichter schienen perfekt zu sein, obwohl sie durch chirurgische Unterstützung so wirkten, als seien sie alle ungefähr im gleichen Alter. Meine Vermutung war, daß niemand von diesen Leuten zur Crème de la crème der Gesellschaft von San Francisco gehörte. Sie waren die fette Milch, die so weit in der Flasche nach oben gestiegen war, wie es Geld und Ehrgeiz im Laufe einer Generation erlaubten. Ich unterstellte ihnen, daß sie, noch während sie tranken und das Buffet beäugten, über die Gastgeber lästerten.
    »Falls Sie hungrig sind, kann ich Ihnen etwas zu essen bringen lassen.«
    Ich wandte mich um. »Nein, danke«, sagte ich automatisch. In Wirklichkeit war ich am Verhungern, aber ich wußte, ich würde mich unterlegen fühlen, wenn ich in Gegenwart dieses Mannes Essen in mich hineinschaufelte. »Kinsey

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