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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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herausmanövrieren. Ich bin der VW da hinten.« Der Blick des Fahrers wandte sich einem Punkt hinter mir zu, und ich drehte mich um, um zu sehen, wohin er blickte.
    Die beiden Männer waren aus der Bar herausgekommen und gingen auf uns zu. Ihre Schritte knirschten im Kies, und sie bewegten sich gemächlich. Ich ging zu meinem Auto, da ich vorhatte, es aufzuschließen und mich hineinzusetzen. Sinnlos, hier in der Kälte herumzustehen, dachte ich. Die Kadenz der Schritte wurde schneller, und ich wandte mich um, damit ich sehen konnte, was los war. Die beiden Männer tauchten plötzlich links und rechts von mir auf und kamen ganz nahe. Jeder von ihnen packte einen meiner Arme. »He!« rief ich.
    »Bitte verhalten Sie sich ganz ruhig«, murmelte einer von ihnen.
    Sie begannen mich auf die Limousine zuzuschleppen, indem sie mich praktisch hochhoben, so daß meine Füße kaum mehr den Boden berührten, während sie mich vorwärtszerrten. Ich fühlte mich wie ein Kind, das von den Eltern über Randsteine und Pfützen gehoben wird. Wenn man noch klein ist, macht das Spaß. Wenn man schon groß ist, macht es einem angst. Die Hintertür der Limousine ging auf. Ich versuchte, meine Absätze im Boden zu vergraben, hatte aber keine Chance.
    Bis ich mich wieder gefaßt hatte und bockte, wobei ich »Hilfe!« kreischte, saß ich bereits hinten in der Limousine, und die Tür wurde zugeschlagen.
    Innen war alles schwarzes Leder und Walnuß. Ich sah eine kompakte Bar, ein Telefon und einen matten Fernsehbildschirm. Über meinem Kopf kontrollierte eine Reihe Knöpfe alle Details des Wohlbefindens der Passagiere: Lufttemperatur, Fenster, Leselampen und Schiebedach. Die innere Glastrennscheibe zwischen uns und dem Fahrer war hinaufgedreht worden. Da saß ich nun, auf der Rückbank zwischen zwei Kerlen eingequetscht, einem dritten Mann jenseits einer geräumigen, mit einem schwarzen Plüschteppich ausgelegten Fläche gegenüber. Im Interesse meiner persönlichen Sicherheit bemühte ich mich, starr geradeaus zu blicken. Ich wollte nicht dazu in der Lage sein, die beiden Handlanger zu identifizieren. Mein Gegenüber schien es nicht zu kümmern, ob ich ihn ansah oder nicht. Alle drei Männer verströmten Körperwärme und schienen in der Stille aufzugehen, die alles verschluckte, außer den schweren Atemzügen, die in erster Linie von mir stammten.
    Die einzigen Lichter, die in der Limousine brannten, waren kleine Seitenleuchten. Das Flutlicht vom Parkplatz wurde von den dunkelgetönten Scheiben etwas gedämpft, doch war die Beleuchtung noch hell genug. Die Atmosphäre im Wagen war angespannt, als herrschte hier drinnen ein anderes Gravitationsfeld als auf dem Rest der Welt. Vielleicht waren es die Mäntel, die mir den Eindruck vermittelten, daß alle im Wagen sich aneinanderdrängten außer mir. Ich spürte, wie mein Herz im Brustkorb pochte und mir der Schweiß seltsam erregend die Seite hinablief. Oft macht Angst mich frech, aber nicht diesmal. Ich war voll des Respekts. Das waren Männer, die nach Regeln vorgingen, die sich von meinen unterschieden. Wer konnte schon wissen, was sie als unhöflich oder beleidigend empfinden würden?
    Die Limousine war so lang, daß der Mann mir gegenüber vermutlich zweieinhalb Meter von mir entfernt saß. Er schien in den Sechzigern zu sein, war klein und stämmig und wurde oben langsam kahl. Sein Gesicht war von zahlreichen Muttermalen übersät, und die Haut war von Furchen durchzogen wie eine Federzeichnung. Seine Wangen buchteten sich seitlich wie ein Herz aus, dessen Spitze sein Kinn bildete. Die Augenbrauen waren ein störrisches weißes Gewirr über dunklen, tiefliegenden Augen. Seine Oberlider hingen herab. Die Unterlider versteckten sich in schweren Tränensäcken. Er hatte schmale Lippen und breite Zähne, die ihm etwas schief im Mund standen. Außerdem hatte er große Hände, dicke Handgelenke und trug schweren Goldschmuck. Er roch nach Zigarren und einem würzigen Rasierwasser. Er hatte etwas intensiv Maskulines: barsch, entschlußfreudig und rechthaberisch. In einer Hand hielt er ein kleines Notizbuch, das er aber nicht zu Rate zu ziehen schien. »Ich hoffe, Sie werden uns die unorthodoxe Methode verzeihen, mit der wir diese Begegnung arrangiert haben. Wir wollten Sie nicht erschrecken.« Kein Akzent. Keine regionale Färbung.
    Die Jungs zu meinen Seiten saßen so still da wie Schaufensterpuppen.
    »Sind Sie sicher, daß Sie die richtige Person haben?«
    »Ja.«
    »Ich kenne Sie nicht«,

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