Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
sagte ich.
»Ich bin Anwalt aus Los Angeles. Ich vertrete einen Gentleman, der momentan geschäftlich im Ausland ist. Er hat mich gebeten, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.«
»In welcher Angelegenheit?« Mein Herzschlag ließ langsam nach. Das waren weder Räuber noch Vergewaltiger. Ich glaubte nicht, daß sie mich erschießen und meine Leiche auf den Parkplatz werfen würden. Das Wort M-A-F-I-A formte sich in meinem Hinterkopf, aber ich ließ es nicht zu einem konkreten Gedanken werden. Ich wollte es nicht bestätigt haben, für den Fall, daß ich später aussagen mußte. Diese Jungs waren Profis. Sie töteten fürs Geschäft, nicht zum Vergnügen. Bislang hatte ich allerdings keine Geschäfte mit ihnen, und so nahm ich an, daß ich in Sicherheit war.
Der angebliche Anwalt sagte: »Sie betreiben Ermittlungen in einem Mordfall, die meinen Klienten interessieren. Die Tote ist Lorna Kepler. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns an den Erkenntnissen, die Sie gewonnen haben, teilhaben lassen würden.«
»Was hat er für ein Interesse daran? Falls ich das fragen darf.«
»Er war eng mit ihr befreundet. Sie war eine schöne Frau. Er möchte nicht, daß irgend etwas zutage tritt, das ihren Ruf besudeln könnte.«
»Ihr Ruf war bereits vor ihrem Tod besudelt«, erklärte ich.
»Sie waren verlobt.«
»Was?«
»Sie wollten am einundzwanzigsten April in Las Vegas heiraten, aber Lorna ist nicht gekommen.«
14
Ich starrte ihn durch die Finsternis im Wagen an. Die Behauptung schien so grotesk, daß sie schon wieder wahr sein konnte. Ich hatte gehört, daß Lorna im Rahmen ihrer Arbeit ein paar betuchte Herren kennengelernt hatte. Vielleicht hatte sie sich in einen davon verliebt, und er sich in sie. Mr. und Mrs. Halsabschneider. »Hat er denn nicht jemanden hierher geschickt, um nach ihr zu suchen, als sie nicht gekommen ist?«
»Er ist ein stolzer Mann. Er nahm an, sie hätte ihre Meinung geändert. Als er natürlich hörte, was ihr zugestoßen war, war das eine bittersüße Neuigkeit«, sagte er.»Und jetzt fragt er sich natürlich, ob er sie hätte schützen können.«
»Darauf werden wir vermutlich nie eine Antwort wissen.«
»Was haben Sie bislang herausgefunden?«
Ich mußte die Achseln zucken. »Ich arbeite erst seit Montag daran und bin noch nicht sehr weit gekommen.«
Er schwieg einen Moment. »Sie haben mit einem Gentleman in San Francisco gesprochen, mit dem wir in geschäftlicher Beziehung standen. Mr. Ayers.«
»Das stimmt.«
»Was hat er Ihnen erzählt?«
Ich schwieg kurz. Ich konnte nicht einschätzen, ob Joe Ayers’ Bereitschaft beziehungsweise Weigerung zu kooperieren, bei diesen Herrschaften Mißfallen erregen würde. Vor meinem geistigen Auge sah ich Ayers am Schwanz von seinem Kronleuchter hängen. Aber vielleicht ging die Mafia ja in Wirklichkeit gar nicht so vor. Vielleicht hing ihr heutzutage einfach ein schlechter Ruf an. Hier in Santa Teresa hatten wir nicht viel Erfahrung mit diesen Dingen. Mein Mund war mittlerweile ganz trocken. Ich sorgte mich um meine Verantwortung den Personen gegenüber, mit denen ich gesprochen hatte. »Er war höflich«, sagte ich. »Er hat mir ein paar Namen und Telefonnummern gegeben, aber die hatte ich bereits selbst ermittelt, daher war die Information nicht besonders nützlich.«
»Mit wem haben Sie sonst noch gesprochen?«
Es ist schwer, sich gelassen anzuhören, wenn einem die Stimme bebt. »Mit Angehörigen. Ihrem Chef. Sie hat für die Frau ihres Chefs ab und zu das Haus gehütet. Mit ihr habe ich auch gesprochen.« Ich räusperte mich.
»Das war Mrs. Bonney? Diejenige, die sie gefunden hat?«
»Genau. Außerdem habe ich mit dem Beamten von der Mordkommission gesprochen, der den Fall behandelt hat.«
Schweigen.
»Das war im großen und ganzen alles«, fügte ich lahm hinzu.
Seine Augen wanderten zu seinem Notizbuch hinab. In ihnen leuchtete es, als er wieder aufsah. Er wußte eindeutig ganz genau, mit wem ich gesprochen hatte, und wollte nun prüfen, wie aufrichtig ich war. Ich tat so, als stünde ich vor Gericht im Zeugenstand. Seiner Behauptung nach war er Anwalt. Wenn er Fragen hatte, sollte er sie stellen, und ich würde sie beantworten. Für den unwahrscheinlichen Fall, daß ich mehr wußte als er, hielt ich es für besser, nicht freiwillig Informationen herauszugeben.
»Mit wem noch?«
Ein weiteres Bächlein Schweiß rann mir die Seite hinab. »Das sind alle, die mir momentan einfallen«, sagte ich. Es kam mir sehr warm vor im
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