Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
plapperte zwanghaft weiter, um das Gespräch am Laufen zu halten. Telefonverkäufer benutzen diese Methode andauernd, als hätten wir anderen keine Ahnung davon, was hinter ihrer ganzen falschen Freundlichkeit steckt.
Margaret ließ sich nichts vormachen. Sie drückte sich die Tasche gegen den Körper und umfaßte sie fest mit einem Arm. »Ich weiß nicht, was Sie zu Rafer gesagt haben, aber er war den ganzen Tag schlecht gelaunt, und an mir hat er dann seinen Ärger ausgelassen.«
»Ehrlich? Das tut mir aber leid. Ich wollte ihn nicht aufbringen.«
»Alles bringt ihn auf, seit Tom gestorben ist. Sie haben jahrelang zusammengearbeitet, lange bevor ich dort angefangen habe.«
»Ich kann mir schon vorstellen, was ihn geärgert hat«, sagte ich. Mir wurde langsam schlecht von dem ganzen heuchlerischen Gesülze, obwohl es den erwünschten Effekt zu haben schien.
Margaret rollte mit den Augen. »Er wird's verkraften, aber ich würde Ihnen raten, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.«
»Das werde ich versuchen, aber ich bin nur noch ein paar Tage hier und weiß nicht, wo ich sonst Informationen bekommen kann.«
Ich hoffte, dies würde ein Hilfsangebot von Seiten Margarets nach sich ziehen, doch es schien sie kalt zu lassen. Wortlos stand sie da und zwang mich, weiterzubaggern. »Ich sage Ihnen einfach mal, was ich brauche, vielleicht können Sie mir ja weiterhelfen. Ehrlich, ich bin nicht auf der Suche nach üblen Geschichten über Tom Newquist. Das ist gar nicht mein Ziel. Ich habe gehört, dass er ein großartiger Mann war, und offenbar sind alle sehr betrübt über seinen Tod.«
»Tja, das stimmt«, gestand sie unwillig.
»Aus Ihrem Chef bin ich allerdings nicht schlau geworden. Ich meine, ich habe gemerkt, dass ich ihm lästig fiel, aber ich habe nicht herausfinden können, was ich falsch gemacht habe.«
»Es hat nichts Spezielles mit Ihnen zu tun. Rafer meint, Selma würde ständig Schwierigkeiten heraufbeschwören. Er sagt, er habe die Nase restlos voll davon, dass sie sich andauernd in Toms Angelegenheiten einmischt.«
»Von Einmischen kann wohl kaum die Rede sein«, sagte ich. »Sie war mit dem Mann verheiratet und hat ein berechtigtes Interesse.«
»Woran?«
»Sie hat mir erzählt, dass Tom wegen irgend etwas bedrückt war. Er schlief schlecht. Er grübelte. Die ganze Zeit hat sie gehofft, er würde sich ihr anvertrauen, aber er hat kein Wort gesagt. Sie wollte ihn fragen, konnte sich aber nicht dazu überwinden. Sie wissen ja, wie es ist. Da ist ein Thema, das Sie ansprechen wollen, und Sie warten ständig auf den idealen Zeitpunkt dafür. Ich vermute, dass er gereizt war und sie ihn nicht verärgern wollte. Jedenfalls ist er gestorben, bevor sie die Sache zur Sprache bringen konnte, und jetzt kommt sie nicht weiter.« »Das gibt ihr noch lange nicht das Recht, ihre Nase in Toms Angelegenheiten zu stecken.«
»Natürlich nicht, aber die Vermutung, dass er mit einer Last auf der Seele gestorben ist, bedrückt sie. Es bringt sie zur Verzweiflung, dass sie ihn nicht darauf angesprochen hat, solange sie noch die Möglichkeit dazu hatte. Und deshalb hat sie mich engagiert.«
»Viel Glück«, wünschte Margaret in einem Tonfall, der in Wirklichkeit besagte, dass sie hoffte, ich würde in ein tiefes Loch fallen.
»Ich bezweifle, dass meine Aussichten besonders gut sind, aber ich nehme es Selma nicht übel, dass sie es versucht. Sie möchte etwas wiedergutmachen. Was ist dagegen einzuwenden? An ihrer Stelle würden Sie doch das gleiche tun, oder?«
»Na ja«, sagte Margaret. Ich merkte, dass es ihr schwerfiel, ein Gegenargument zu finden. Herablassende Bemerkungen zu machen war ihr ein leichtes; weniger geschickt war sie im Verteidigen ihres Standpunkts. Von der Anstrengung, die Wahrheit zu sagen, brach mir schon der Schweiß aus. Lügen sind immer einfacher, weil das einzige Risiko darin besteht, erwischt zu werden. Hat man sich aber erst einmal der Wahrheit unterworfen, ist man geliefert, denn wenn sie einem der andere nicht abkauft, hat man nichts anderes mehr zu bieten.
Earlene beobachtete uns wie eine Zuschauerin bei einem Tennismatch. Ihre hellblauen Augen wanderten interessiert zwischen meinem und Margarets Gesicht hin und her. Ich konnte nicht abschätzen, auf wessen Seite sie stand, beschloß aber trotzdem, sie mit einzubeziehen. »Was meinen Sie, Earlene? Was würden Sie an Seimas Stelle tun?«
»Vermutlich das gleiche. Ich verstehe, was Sie meinen.« Sie warf Margaret einen raschen Blick
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