Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Maschendrahtzäune und bucklige Gehsteige, deren Beton von Baumwurzeln aufgebrochen wurde. Die meisten Häuser waren Massivbauten mit verwitterten Dächern aus roten Ziegeln. Hin und wieder stand eine Anlage mit Eigentumswohnungen zwischen den Einfamilienhäusern. Ich fand einen Parkplatz gegenüber meiner Wohnung, die früher einmal eine Einzelgarage gewesen war und jetzt ein zweistöckiges Refugium darstellte, das durch einen Laubengang mit dem Haus verbunden war, in dem mein Vermieter wohnte. Diesen Monat waren es fünf Jahre, seit ich hier lebte, und ich hänge sehr an der Wohnung, die ich mittlerweile als meine betrachte. Ich mußte zweimal gehen, um den Mietwagen auszuladen, hin und zurück durch Henrys quietschendes Tor. Ich stapelte alles auf der kleinen überdachten Veranda, schloß die Tür auf, stellte die Schreibmaschine neben den Schreibtisch, ging wieder hinaus, um meine Reisetasche zu holen, und schleppte sie die Wendeltreppe hinauf. Dann zog ich mich aus, nahm den Verband von meiner Hand ab und gönnte mir eine ausgedehnte heiße Dusche. Dabei wusch ich mir die Haare, rasierte mir mit der linken Hand die Beine und sang ein Potpourri aus Musicalnummern, bei dem der Text zur Hälfte aus »da-da-da« bestand. Das herrliche Gefühl, sauber zu sein und es warm zu haben, war fast zuviel für mich. Ich verzichtete ausnahmsweise auf Zahnseide, putzte mir mit der Linken die Zähne und begoß mich mit einem preiswerten Eau de Cologne aus der Drogerie, das nach Maiglöckchen duftete. Ich zog einen frischen Rollkragenpullover, frische Jeans, saubere Socken und Reeboks an und trug etwas Lippenstift auf. Dann betrachtete ich mich im Badezimmerspiegel. Nein, das sah unmöglich aus. Ich rieb den Lippenstift mit einem Stück Toilettenpapier weg und erklärte mich für fertig. Danach mußte ich nur noch ungefähr zwanzig Minuten damit zubringen, meine Finger wieder zu schienen und zu verbinden. Es würde wirklich ätzend werden. Ich schlüpfte zur Tür hinaus und platschte im Regen über den Innenhof. Henrys Garten erwachte gerade wieder zum Leben. In Santa Teresa ist das Klima das ganze Jahr über gemäßigt, aber wir erfreuen uns eines kaum wahrnehmbaren Frühlings, in dem wie überall sonst grüne Schößlinge durch das harte Erdreich brechen. Henry hatte angefangen, die Beete zu jäten, wo er bald seine einjährigen Pflanzen und ein paar Tomatenstauden setzen würde.
    Ich roch die nassen Wege, den Rindenmulch und die wenigen Narzissen, die sich im Regen geöffnet haben mußten. Es war Viertel vor fünf, schon war es düster durch die nahende Dämmerung, und das Licht drang in sanftem Grau durch die Regenwolken am Himmel. Ich spähte durch das Fenster in Henrys Hintertür und klopfte an die Scheibe. Drinnen brannte Licht, und es gab einige Hinweise darauf, dass er mitten in einem Kochprojekt steckte. Henry Pitts hatte sein Geld jahrelang als Bäcker verdient, und jetzt, wo er im Ruhestand ist, kocht und bäckt er immer noch gern. Er ist braungebrannt, hat ein hageres Gesicht und lange Beine - ein Gentleman mit schneeweißem Haar, blauen Augen, einer Hakennase und noch allen seinen eigenen Zähnen. Er ist sechsundachtzig Jahre alt und mit Intelligenz, guter Laune und einer erstaunlichen Energie gesegnet. Er trat vom Flur in die Küche, in der Hand einen Stapel kleiner weißer Frotteehandtücher, die er beim Kochen benutzt. Meist klemmt er sich eines in den Hosenbund, hat eines auf der Schulter liegen, und ein drittes dient gelegentlich als Topflappen. Bekleidet war er mit einem marineblauen T-Shirt und weißen Shorts, bedeckt von einer langen Bäckerschürze, die ihm bis über die Knie reichte. Er legte die Handtücher auf die Arbeitsfläche und kam eilig herbei, um die Tür aufzuschließen, sein Gesicht ein einziges Lächeln. »Hey, Kinsey. Ich habe dich heute noch gar nicht zurückerwartet. Komm doch rein. Was ist denn mit deiner Hand passiert?«
    »Lange Geschichte. Ich erzähle dir gleich die Kurzfassung.«
    Er trat zur Seite, und ich ging hinein, wobei ich ihn im Vorübergehen umarmte. Auf der Arbeitsfläche sah ich ein hohes Schraubdeckelglas mit Mehl, ein kleineres Glas mit Zucker, zwei Päckchen Butter, eine Dose Backpulver, eine Schachtel Eier und eine Schale Granny-Smith-Äpfel; daneben Kuchenform, Nudelholz und Reibeisen.
    »Irgend etwas riecht hier ganz wunderbar. Was kochst du?«
    Henry lächelte. »Eine Überraschung zu Rosies Geburtstag. Ich habe eine Fleischpastete mit Nudeln im Ofen. Es ist ein

Weitere Kostenlose Bücher