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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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keine Spuren mehr von den Fahrzeu gen, die vor sechs Wochen einmal hier geparkt hatten. Wenn Toms Pickup, Tennysons Streifenwagen und der Krankenwagen Erdreich und Kies am Straßenrand aufgewühlt hatten, so hatte die Natur mittlerweile sämtliche Hinweise darauf geglättet. Ich unternahm eine Rastersuche und hielt den Blick auf den Erdboden fixiert, während ich ein lineares Muster abging. Ich stellte mir Tom in seinem Pickup vor, der Schmerz wie ein Messer zwischen seine Schulterblätter verkeilt. Übelkeit, Beklemmung, der kalte Schweiß des Todes, der ihn zwang, sich zu konzentrieren. Zunächst einmal schob ich das Bild der Frau beiseite, die die Straße entlangging. Sie konnte ja genausogut eine Ausgeburt von James Tennysons Phantasie sein, ein Irrweg, der mich auf eine falsche Spur leiten sollte. Man muß bei jeder Untersuchung auf der Hut sein und darf Informationen nur mit einem Hauch Skepsis annehmen. Ich war mir Tennysons Motivation nicht sicher. Vielleicht war er - was nahelag - einfach ein aufrichtig hilfsbereiter Mensch, der seinen Beruf ernst nahm und mir seine Erinnerungen mitteilen wollte. Was mich hier interessierte, war die Möglichkeit, dass Tom sein Notizbuch aus dem Fenster geworfen oder dessen Inhalt in den letzten Momenten seines Lebens irgendwie zerstört hatte. Ich suchte jeden Zentimeter Boden in einem Radius von dreißig Metern ab. Nirgends war ein Notizbuch, keine Seiten flatterten im Wind, keine Konfetti aus zerfetztem Papier, nirgends ein Eckchen oder ein Winkel, wo zusammengefaltete Aufzeichnungen hätten versteckt werden können. Ich trat Steine und Laub beiseite, schob herabgefallene Äste weg und grub Flecken verkrusteten Schnees auf. Es war schwer vorstellbar, dass Tom sich hier herausgeschleppt haben sollte, um so etwas zu bewerkstelligen. Meine Vermutung war, dass seine Arbeitsnotizen vertraulich waren und er sich in gewissem Maß darum bemüht hatte, ihren Inhalt geheimzuhalten. Aber vielleicht auch wieder nicht. Womöglich waren die Notizen gar nicht von Belang.
    Ich ging zu meinem Auto zurück und steckte den Schlüssel ins Zündschloß, allerdings nicht ohne Mühe. Das Pflaster an meiner rechten Hand machte alles etwas beschwerlich, und ich befürchtete, dass die damit verbundenen Anstrengungen mich in den nächsten Tagen zermürben würden. Die Verletzung war zwar nicht gravierend, aber ärgerlich und unpraktisch, eine ständige Erinnerung daran, dass ich durch die Hände eines anderen gelitten hatte. Ich wendete auf dem Highway und fuhr zu Selma. Um zehn Uhr war ich auf dem Weg nach Hause.

14
    Kurz nachdem ich Nota Lake verlassen hatte, fiel mir ein Streifenwagen des Bezirkssheriffs auf, der mir mit einem halben Kilometer Abstand Gesellschaft leistete. Die Entfernung war zu groß, um den Fahrer zu erkennen, aber auf jeden Fall hatte ich das Gefühl, dass ich über die Grenze des Bezirks begleitet werden sollte. Ich sah ständig in den Rückspiegel, doch der Streifenwagen hielt seinen diskreten Abstand. Als wir an der Kreuzung von 395 und 168 ankamen, besagte ein Wegweiser, dass es sieben Kilometer nach Whirly Town-ship und zehn Kilometer nach Rudd waren. Der Streifenwagen entfernte sich. Ob die Eskorte beabsichtigt oder zufällig war, konnte ich nicht sagen. Ebensowenig war mir klar, ob dahinter eine freundliche oder feindselige Absicht steckte. Earlenes Mann Wayne war der Hilfssheriff, der in Whirly Township arbeitete, also vielleicht war es nur er auf dem Weg zur Arbeit gewesen.
    Danach raste die öde Landschaft in einer monotonen Wiederholung buschbestandener Hügel vorüber, und ich verbrachte den Rest der Fahrt in einem durch die Straße erzeugten hypnotischen Zustand. Es kamen nur wenige Orte - Big Pine, Independence, Lone Pine, Cartago, Olancha -, unerwartete kleine Enklaven, die in erster Linie aus Tankstellen, Holzhäusern, Imbißlokalen und vielleicht einer Pizzeria oder einem Frosty Freeze bestanden, manche waren noch den Winter über mit Brettern vernagelt. In den meisten Orten gab es offenbar mehr verlassene Gebäude als solche, die noch benutzt wurden. Die Häuser waren flache Holzbauten, die teils we-sterntypisch, teils viktorianisch anmuteten. In manchen Gegenden schien sich das Geschäftsleben fast ausschließlich um Verkauf und Wartung von Propangas zu drehen. Hin und wieder duckte sich ein Lebensmittelladen unter den Pappeln und Kiefern. Ich fuhr an einer dieser einfachen braungelben Kirchen im Motel-Stil vorüber, bei denen man den Verdacht bekommt, es

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