Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
die überall untergebracht waren. Es gab ein Gästebett zum Ausklappen, das ins Erkerfenster eingepaßt war, zwei Regiestühle aus Segeltuch, Bücherregale und meinen Schreibtisch. Die Wendeltreppe hinauf hatte ich zusätzlich zu dem Wandschrank auf der einen Seite ein paar Kleiderhaken, eine Doppelbettmatratze auf einer Plattform mit eingebauten Schubladen und ein zweites Badezimmer mit einer abgesenkten Badewanne und einem Fenster, das aufs Meer hinausging. Ich kam mir vor, als lebte ich auf einem Hausboot, mitten auf einem Fluß, gemütlich und praktisch, warm und lichtdurchflutet. Ich war so glücklich darüber, wieder zu Hause zu sein, dass ich kaum zu Bett gehen konnte. Nackt kroch ich unter einen Stapel Steppdecken und lauschte dem Regen, der an mein Oberlicht aus Plexiglas plätscherte. Ich empfand einen absurden Besitzerstolz - mein Kissen, meine Decke, mein geheimer Schlupfwinkel, mein Zuhause.
Als ich wieder zu mir kam, war es sechs Uhr morgens. Ich hatte mir keinen Wecker gestellt, wachte aber aus alter Gewohnheit von selbst auf. Ich konzentrierte mich auf das Geräusch des Regens, schob den Gedanken an Joggen beiseite und schlief wieder ein. Um acht raffte ich mich auf und vollzog meine morgendlichen Waschungen. Ich frühstückte, las die Zeitung und stellte anschließend die Schreibmaschine auf. Dann ging ich kurz nach oben, um meine Notizen aus der Reisetasche zu holen. Als erstes mußte ich heute morgen den Mietwagen zurückgeben. Danach würde ich mit dem Taxi in mein Büro fahren, mich dort kurz zeigen und mir den neuesten Anwaltsklatsch zu Gemüte führen. Ich hatte noch nicht entschieden, ob ich im Büro oder zu Hause arbeiten wollte. Entweder bliebe ich gleich dort, oder ich würde irgend jemanden von Kingman and Ives dazu überreden, mich nach Hause zu fahren.
Bis dahin wollte ich mich an die Schreibmaschine setzen und beginnen, im leidigen Adlersuchsystem meinen Bericht zu vervollständigen. Erst als ich den Deckel der Schreibmaschine abnahm, bemerkte ich, was ich beim Packen vor meiner Abreise aus Nota Lake übersehen hatte. Jemand hatte die beiden mittleren Reihen der Schreibmaschinentastatur gepackt und das Metall zu einem unentwirrbaren Knoten verdreht. Einige Tasten waren abgebrochen und andere einfach seitlich abgeknickt wie meine Finger. Ich setzte mich und starrte entgeistert auf die Maschine. Was ging hier vor sich? Ich beschloß, nicht ins Büro zu fahren, sondern mich statt dessen darauf zu konzentrieren, den ein oder zwei Anhaltspunkten nachzugehen, die ich besaß. In meinem tiefsten Inneren wußte ich ganz genau, dass die Schreibmaschine vor meiner Abreise aus Nota Lake ruiniert worden war. Trotzdem machte die Entdeckung mich nervös und zerstörte mein Gefühl von Sicherheit und Wohlbehagen. Verärgert zog ich meine unterste Schreibtischschublade auf, holte die Gelben Seiten heraus, blätterte die Einträge unter Büro Maschinenreparaturen auf und rief einen nach dem anderen an, bis ich jemanden fand, der meine altehrwürdige Smith-Corona reparieren konnte. Ich notierte mir die Adresse und teilte dem Geschäftsinhaber mit, dass ich in einer Stunde bei ihm sei.
Ich holte meine Notizen heraus und sah mir die hiesigen Telefonnummern an, die ich von Tom Newquists Schreibunterlage abgeschrieben hatte. Als ich die eine Nummer von Toms Arbeitszimmer aus gewählt hatte, hatte sich ein Anrufbeantworter gemeldet. Ich ging davon aus, dass die Frau, die ich auf der Ansage gehört hatte, jene Ermittlerin aus dem Sheriffbüro war, die Phyllis angeblich mit Tom hatte flirten sehen. Wenn ich sie sprechen könnte, würde das vielleicht viele meiner Fragen klären. Ich wählte die Nummer. Erneut meldete sich der Apparat, und die gleiche heisere Frauenstimme erzählte mir, was ich nach dem Pfeifton tun konnte. Ich hinterließ meinen Namen, meine private und geschäftliche Telefonnummer und eine kurze Nachricht, dass ich mich gern mit ihr über Tom Newquist unterhalten würde. Dann rief ich im Sheriffbüro von Perdido an und sagte: »Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Ich versuche eine Fahnderin aus dem Sheriffbüro zu finden. Sie muß zwischen Mitte Vierzig und Mitte Fünfzig sein. Ich weiß ihren Namen nicht, aber ich glaube, dass sie im Sheriffbüro von Perdido County angestellt ist. Kennen Sie so jemanden?« »Welche Abteilung?« »Das ist es ja. Ich bin mir nicht sicher.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte. »Lady, wir haben etwa ein halbes Dutzend Beamtinnen hier, auf die
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