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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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müsse deprimierend sein, an das zu glauben, was dort geglaubt wird. Zwischen den Ortschaften tauchten immer mehr Landstriche unberührter Wildnis auf. Die Luft wirkte klar und erwärmte sich, als die Straße aus den höheren Regionen herabführte. Der Schnee war verschwunden, und die weichen Flocken gingen in einen noch weicheren Regen über. Was eine offene, ungehinderte Aussicht hätte sein sollen, wurde durch den Verlauf von Stromleitungen, Telefonmasten und Ölbohrtürmen unterteilt - der Preis dafür, in einer sonst unverfälschten Landschaft Geschäfte zu treiben. Auf den felsigen Hügeln zu meiner Linken sah ich immer wieder Schlackehaufen und die dunklen, schroffen Lavaströme früherer vulkanischer Aktivität. Felsen markierten die Landschaft: grün, rot, braun und cremefarben. Unter dieser Gegend verliefen zwei der bedeutendsten Verwerfungsgräben - San Andreas und Garlock -, die 1872 eines der größten Erdbeben der kalifornischen Geschichte ausgelöst hatten.
    Nach und nach ließ ich meine Gedanken zu den Ereignissen zurückwandern, die ich hinter mir gelassen hatte. Ich war eine Stunde bei Selma gewesen, bevor ich aus Nota Lake abgereist war. Bis jetzt hatte ich mit den vier Tagen Arbeit tausend der fünfzehnhundert Dollar verdient, die sie mir als Vorschuß bezahlt hatte. Das hieß, dass ich ihr Geld schuldete, wenn ich jetzt aufhörte -was ich mir tatsächlich überlegt hatte. Meine Krankenversicherung würde die Kosten für meine malträtierte Hand übernehmen. Selma war ehrlich bestürzt über die Geschehnisse gewesen, und wir hatten die vorherzusehende Litanei aus Schrecken und Betroffenheit durchgespielt. »Mir wird ganz schlecht. Es ist meine Schuld. Ich habe Sie da hineingezogen«, hatte sie gesagt.
    »Reden Sie keinen Unsinn, Selma. Es ist nicht Ihre Schuld. Zumindest macht es Ihre Vermutung glaubwürdig, dass Tom ein sogenanntes „Geheimnis“ hatte.«
     »Aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass es gefährlich ist.«
    »Das Leben ist gefährlich«, sagte ich. Langsam verlor ich die Geduld und wäre am liebsten zum nächstbesten Auftrag übergegangen. »Hören Sie, wir können hier sitzen und herumjammern, aber ich würde die Zeit viel lieber sinnvoll nutzen. Ich habe einen ganzen Stapel Telefonrechnungen. Setzen wir uns doch mal zusammen und sehen, wie viele Nummern Sie kennen. Alle, die Ihnen unbekannt vorkommen, kann ich von Santa Teresa aus überprüfen.«
    Und das taten wir dann auch. Wir konnten etwas mehr als drei Viertel der Gesprächspartner aus den letzten zehn Monaten benennen. Viele waren Bekannte von Selma, die mit ihrem kirchlichen Engagement und mit Wohltätigkeitsveranstaltungen zu tun hatten, dazu kamen mehrere Freunde außerhalb des Bereichs mit der Vorwahl 619. Einige der übrigen Nummern erkannte sie als beruflich bedingte Telefonate, was durch eine entsprechende Überprüfung von Toms Adressenkartei bestätigt wurde. Ich hatte den ganzen Aktendeckel mit den Telefonrechnungen des letzten Jahres in meine Reisetasche gesteckt und war dann in den Keller gegangen, um einen Blick auf die Kisten zu werfen, die ich schon vorher bemerkt hatte. Dort, in dem trockenen, überhitzten Raum, der nach Heizmaterial und erwärmtem Papier roch, herrschte eine merkwürdige Ordnung.
    Obwohl sein Schreibtisch und sein Arbeitszimmer im Erdgeschoß ein uferloses Chaos darstellten, war Tom Newquist systematisch, zumindest, wenn es um seine Arbeit ging. Auf einem Regal zu meiner Rechten standen mehrere Pappkartons, in denen er gebündelte Arbeitsnotizen aus den letzten fünfundzwanzig Jahren aufbewahrte, seine Ausbildungszeit an der Polizeischule eingeschlossen. War ein Notizbuch voll, nahm er regelmäßig die sechsfach gelochten Blätter heraus, klebte ein Etikett mit den entsprechenden Daten daran und umwickelte sie mit einem Gummiband. Oft gehörten mehrere Bündel Notizen zu ein und demselben Fall; diese waren dann in einzelne große Umschläge verpackt, die ebenfalls etikettiert und datiert waren. Ich konnte mit den Fingern seine Ermittlungen zurückverfolgen, Jahr für Jahr, ohne Lücken oder Unterbrechungen. Manchmal hatte er außen auf einen Umschlag einen Vermerk geheftet, auf dem stand, dass sich jemand per Anruf oder Fernschreiber nach Einzelheiten eines Falls erkundigt hatte. Dann schrieb er eine aktualisierende Notiz und legte eine Kopie seiner Anmerkungen bei, auf der vermerkt war, von welcher Stelle der Anruf kam, worin der Inhalt der Anfrage bestand, und schließlich seine

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