Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
nicht in der Lage.« Ich schilderte Agent Burkhoff Mickeys momentanen Zustand.
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich habe Ihnen bereits alles gesagt, was ich weiß. Die Sache liegt weit jenseits meines Erfahrungsbereichs. Ich teile Ihnen das alles nur mit. Sie können damit verfahren, wie Sie wünschen.«
»Wo werden die Karten hergestellt?«
»Ich glaube, irgendwo im Haus. Gestern hat der Besitzer es so eingefädelt, dass ich mich im Obergeschoss umsehen konnte. Es war natürlich leer, aber ich habe eine Menge Steckdosen gesehen. Ich weiß nicht, was für Geräte man dazu braucht...«
»Das kann ich Ihnen sagen«, meinte er. »Scanner, Kodiermaschinen, Aktenvernichter, Prägemaschinen, Beschichtungsmaschinen — damit legt man das Gold auf die frisch geprägten Ziffern — , Kaschiermaschinen und Apparate, die Hologramme einstanzen. Haben Sie irgendetwas in der Art gesehen?«
»Nein, aber ich vermute, dass sie bis vor ein paar Tagen in diesem Raum gearbeitet haben. Ich habe mich im hiesigen Architekturarchiv umgesehen und einen Blick auf die Pläne geworfen, die eingereicht wurden, als der Besitzer eine Umbaugenehmigung beantragt hat. Das Gebäude ist eines der wenigen hier, die einen Keller haben. Ich nehme an, sie haben die ganze Produktion dort hinunter verlagert.«
»Nennen Sie mir Einzelheiten. Wir gehen der Sache nach«, sagte er.
Ich gab ihm Namen und Adresse des Honky-Tonk sowie Tims Namen und Privatadresse. Außerdem nannte ich ihm Scotties Namen, die Tage, an denen Mickey dort gewesen war, und die Namen auf dem Sortiment falscher Papiere, die er besaß. »Brauchen Sie sonst noch etwas?«
»Ihren Name und Ihre Adresse und Telefonnummer.«
»Lieber nicht«, sagte ich. »Aber ich mache Kopien der Papiere und schicke Sie Ihnen mit der Post zu.«
»Da wären wir Ihnen dankbar.«
Ich legte auf, hievte das Telefonbuch nach oben, schlug die Nummer meines Reisebüros auf und warf zwei Münzen in den Schlitz. Ich erklärte der Mitarbeiterin, dass ich ein Flugticket nach Louisville brauchte, und nannte ihr mein Preislimit.
»Wie viel?«
»Fünfhundert Dollar?«, sagte ich.
»Das soll wohl ein Witz sein.«
Ich versicherte ihr, dass es keiner war. Sie tippte die Angaben in ihren Computer ein. Nach langem Schweigen, mehreren Seufzern und weiterem Klicken erklärte sie mir, dass das günstigste Angebot, das sie mir machen könne, eine Airline sei, die es seit nicht einmal zwei Jahren gab und die einen Flug mit Minimalservice vom Flughafen Los Angeles nach Louisville mit nur zwei Zwischenstops in Santa Fe und Tulsa anbot. Es gab keine vorherige Platzreservierung, keinen Film und kein Essen. Sie versicherte mir, dass die Firma (bis jetzt) weder Bankrott angemeldet noch irgendwelche spektakulären Abstürze hingelegt hatte. Der Punkt war, dass ich für 577 Dollar an mein Ziel gelangen konnte. Ich ließ mich von ihr auf einen Flug am frühen Morgen buchen und ließ den Rückflugtermin offen, da ich wirklich keine Ahnung hatte, wie lange meine Ermittlungen dauern würden. Das würde ich im Lauf der Reise feststellen. Neben dem Flugticket reservierte ich mir noch einen Mietwagen am Flughafen von Louisville. Ein Motel würde ich mir dort suchen, vorzugsweise etwas Billiges. Wenn ich damit fertig war, hätte ich — wenn schon sonst nichts dabei herauskam — wenigstens meine Schuld gegenüber Mickey vollständig abgetragen. Ich fuhr nach Hause, packte einen Matchsack und plauderte kurz mit Henry, um ihm mitzuteilen, dass ich eine unbestimmte Zeit verreist sein würde. Außerdem rief ich Cordia Hatfield an und kündigte ihr meine Ankunft für den späteren Nachmittag an.
Ich fuhr am Reisebüro vorbei, um mein Ticket abzuholen. Dann fuhr ich zum Büro, wo ich den Rest des Morgens damit verbrachte, mein Leben in Ordnung zu bringen — für den Fall, dass ich nicht mehr zurückkäme. Die Fahrt nach Culver City verlief reibungslos, und ich parkte um fünf vor fünf in der Gasse hinter Mickeys Haus. Ich ließ den Matchsack im Auto, da ich nicht aufdringlich in Bezug auf eine Übernachtung erscheinen wollte. Cordia hatte zwar eine Einladung ausgesprochen, aber besonders begeistert hatte es nicht geklungen.
Ich klopfte an der Tür der Hatfields und fragte mich, ob sie mich bei ihrem plärrenden Fernseher überhaupt hören konnten. Ich wartete einen Moment und klopfte erneut. Der Ton wurde leiser gestellt, und Cordia öffnete die Tür. Ich hatte die beiden zuletzt am Donnerstag gesehen, also erst vor vier Tagen, aber etwas
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