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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Es lag nicht unbedingt daran, dass ich knickrig war — obwohl das mit Sicherheit eine Rolle spielte. In Wirklichkeit war ich neugierig. Ich sagte mir, dass es mich zu nichts weiter verpflichtete, wenn ich einfach nur den Inhalt des Kartons durchsah. Jedenfalls würde es mich nicht dazu verpflichten, mich auf die Suche nach meinem Ex zu machen. Die Sachen zu sortieren würde mich in keiner Weise zwingen, seinetwegen aktiv zu werden. Wenn Mickey schlechte Zeiten durchmachte, wenn er irgendwie in der Klemme saß, dann war dem eben so. C’est la vie — na und? Es hatte nichts mit mir zu tun.
    Ich zog den Papierkorb näher an den Karton heran, klappte die Laschen beiseite und spähte hinein. In der Zeit, die ich weggewesen war, hatten es die Heinzelmännchen immer noch nicht geschafft, das Chaos in Ordnung zu bringen. Ich begann, lose Toilettenartikel hinauszubefördern; eine platt gedrückte Tube Zahnpasta und eine Flasche Shampoo, in der längs eine dünne Schleimschicht hing. Irgendetwas war ausgelaufen und hatte dabei verschiedene Gegenstände aneinander geschweißt wie ein hartnäckiger Klebstoff. Ich warf ein Sammelsurium rezeptfreier Medikamente hinaus, ein altes Diaphragma, einen Sicherheitsrasierer und eine Zahnbürste, deren Borsten in alle Richtungen abstanden. Sie sah aus, als hätte ich sie benutzt, um die Fugen im Badezimmer damit zu schrubben. Unter den Toilettenartikeln grub ich das Bündel Werbesendungen aus. Als ich den Stapel in die Hand nahm, riss das Gummi, und ich warf den ganzen Haufen in den Papierkorb. Ein paar einzelne Umschläge standen hervor, und ich zog sie zwischen den alten Zeitschriften und zerfledderten Katalogen heraus. Auf den ersten Blick nichts als Mist: ein Kontoauszug von einem Konto, das ich schon vor Jahren gekündigt hatte, eine Postwurfsendung von einem Kaufhaus und eine Mitteilung von Publisher’s Clearing House, in der man mir erklärte, dass ich in der engeren Wahl für einen Gewinn von einer Million Dollar sei. Im dritten Umschlag, den ich mir ansah, steckte eine Kreditkartenrechnung, von der ich inständig hoffte, dass ich sie bezahlt hatte. Das wäre vielleicht eine Schande, ein Fleck auf meiner Kreditwürdigkeit. Vielleicht schickte mir American Express deshalb keine im Voraus bestätigten Karten mehr. Und dabei hatte ich mich so überlegen gefühlt. Mickey mag ja mit seinen Zahlungen im Rückstand sein, aber nicht ich, sagte sie.
    Ich drehte den Umschlag um, um ihn aufzureißen. Auf der Rückseite klebte ein zweiter Umschlag, und zwar ein Brief, der offenbar mit derselben Post eingetroffen war. Ich machte ihn los und zerriss dabei das Papier. Auf dem Umschlag stand kein Absender, und die Handschrift erkannte ich nicht. Sie war eng und eckig, und die Buchstaben neigten sich schwer nach links, als stünden sie kurz vor dem Kollaps. Der Poststempel lautete Santa Teresa, 2. April 1972. Ich hatte Mickey am Tag zuvor verlassen, ausgerechnet am ersten April. Ich zog das einzelne Blatt linierten Papiers heraus, das mit derselben tintenschweren Schreibschrift beschrieben war, die so flach war wie niedergedrücktes Gras.

    Kinsey,
    Mickey hat mir das Versprechen abgenommen, dass nicht zu tun, aber ich finde du solltest Bescheid wissen. Er war bei mir in der Nacht, klar, er hat den Kerl geschubst, aber dass war nicht so wild. Ich weiß es weil ich es gesehen habe, genau wie eine Masse andere Leute die auf seiner Seite stehen. Benny hat nichts gefeit, als er gegangen ist. Er und Mickey können sich hinterher nicht mehr getroffen haben weil wir zu mir gegangen sind und er war bis Mitternacht da. Ich habe ihm gesagt, dass ich für ihn aussage, aber er meint nein wegen Eric und seiner Lage. Er ist komplet umschuldig und braucht dringend deine Hilfe. Was spielt es schon für eine Rolle wo er war solange er es nicht getan hat? Wenn du ihn liebst, solltest du dich hinter ihn stellen statt dich so bescheuert aufzuführen. Polizist zu sein bedeutet alles für ihn, bitte nimm ihm dass nicht weg. Ansonsten hoffe ich du hälst es dann noch mit dir selber aus weil du ihm alles kaputmachst. D.

    Ich las den Brief zwei Mal, ohne irgendetwas zu denken, abgesehen von einer mechanischen und gedankenverlorenen Reaktion auf all die Rechtschreibfehler und kommalosen Sätze. In punkto Grammatik bin ich ein Snob, und es fällt mir schwer, jemanden ernst zu nehmen, der das Pronomen >das< mit der Konjunktion >dass< verwechselt. Ich habe Mickeys Leben nicht >kaputgemacht<. Es lag nicht in meiner Hand,

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