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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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habe nämlich inzwischen den Chevy in die Werkstatt gebracht, nachdem die Farbdose drauf gefallen ist, und jetzt muss ich feststellen, dass der Kombi nicht anspringt. Kannst du mich fahren? Oder noch besser wäre, du würdest mir dein Auto leihen, dann sparst du dir die Fahrerei. Es wird nämlich eine Weile dauern, und ich möchte dich nicht aufhalten.« Henrys fünffenstriges buttergelbes Chevrolet-Coupe von 1932 hatte leichte Schäden erlitten, als während einer Reihe winziger Erdbeben Ende März mehrere Dosen vom Regalbrett in der Garage gefallen waren. Henry pflegte das Auto liebevoll und hielt es in makellosem Zustand. Sein zweites Fahrzeug, den Kombi, benutzte er immer, wenn seine in Michigan wohnende Verwandtschaft zu Besuch kam.
    »Ich fahre dich. Macht mir überhaupt nichts aus«, sagte ich. »Lass mich nur schnell die Schlüssel holen.« Ich ließ die Tür angelehnt, während ich meine Handtasche von der Arbeitsfläche nahm und die Schlüssel aus ihrem Außenfach fischte. Da ich schon dabei war, griff ich mir auch noch eine Jacke und zog dann hinter mir die Tür zu.
    Wir gingen um die Hausecke und durchs Gartentor. Ich schloss den VW auf der Beifahrerseite auf und ging vorn herum auf meine Seite. Henry lehnte sich über den Sitz und machte mir die Tür auf. Ich setzte mich hinters Steuer, ließ den Wagen an, und los ging’s.
    »Prima. Das ist wirklich prima. Ich bin dir echt dankbar«, sagte Henry, dessen Tonfall ihn Lügen strafte.
    Ich sah zu ihm hinüber und bemerkte die Anspannung, die sein Gesicht verkrampft wirken ließ. »Was musst du denn machen lassen?«
    »Eine Krone ‘ier ‘inten«, antwortete er, einen Finger tief im Rachen.
    »Wenigstens keine Wurzelbehandlung.«
    »Nur über meine Leiche. Ich hatte gehofft, du wärst nicht da, dann hätte ich den Termin absagen können.«
    »Pech gehabt«, sagte ich.
    Henry und ich haben beide eine Angst vor Zahnärzten, die schon ans Komische grenzt. Wir gehen zwar gewissenhaft zum Nachschauen, brechen aber bei jedem Eingriff, der tatsächlich vorgenommen werden muss, in Panik aus. Alle beide bekommen wir einen trockenen Mund, ein flaues Gefühl im Magen, feuchte Hände und fangen fürchterlich zu jammern an. Ich fasste hinüber und berührte seine Finger. Sie waren eiskalt und leicht feucht.
    Henry runzelte die Stirn. »Ich verstehe gar nicht, warum er das machen muss. Die Füllung ist in Ordnung, im Grunde kein Problem. Es tut nicht einmal weh. Der Zahn reagiert nur ein bisschen empfindlich auf Hitze, und ich musste aufhören, irgendetwas mit Eis zu mir zu nehmen...«
    »Ist die Füllung schon alt?«
    »Von 1942 — aber es gibt nichts an ihr auszusetzen .«
    »Das war eben Wertarbeit.«
    »Sage ich auch immer. Damals wussten die Zahnärzte noch, wie man eine Füllung macht. Jetzt wird die künstliche Alterung eingeplant. Heutzutage ist eine Füllung ja nur begrenzt haltbar, wie eine Tüte Milch. Man kann von Glück sagen, wenn sie so lange hält, bis man die Rechnung bezahlt hat.« Er steckte sich erneut einen Finger in den Mund und drehte das Gesicht in meine Richtung. »Siehst du das? Erst fünfzehn Jahre alt, und schon redet der Kerl davon, sie zu ersetzen.«
    »Nicht zu fassen! So ein Betrug!«
    »Weißt du noch, als sie Fluor ins Leitungswasser gegeben haben und alle es für einen kommunistischen Schachzug hielten? Das Gerücht haben die Zahnärzte verbreitet.«
    »Aber sicher«, bestätigte ich auf mein Stichwort hin. »Sie haben erkannt, was auf sie zukommt. Keine Löcher, keine Einnahmen.« Das gleiche Duett spulten wir jedes Mal ab, wenn einer von uns etwas an den Zähnen machen lassen musste.
    »Und jetzt haben sie sich diese Operationsmethode einfallen lassen, wo sie einem das halbe Zahnfleisch wegschneiden. Und wenn sie dich dazu nicht bequatschen können, behaupten sie, du brauchst eine Spange.«
    »So ein Schwachsinn «, sagte ich.
    »Ich verstehe nicht, warum ich mir nicht alle Zähne ziehen lassen und es hinter mich bringen kann«, sagte er, zunehmend verdrießlich gestimmt.
    Ich gab ihm die gewohnte skeptische Antwort. »So weit würde ich nicht gehen, Henry. Du hast doch schöne Zähne.«
    »Ich würde sie lieber in einem Glas aufbewahren. Ich halte das Bohren nicht aus. Das Geräusch macht mich wahnsinnig. Und dann dieses Kratzen, wenn sie den Zahnstein abschaben. Da möchte ich am liebsten die Armlehnen vom Stuhl reißen. Es klingt wie eine Schaufel auf Straßenpflaster, ein Pickel auf Beton...«
    »Okay. Jetzt hör auf. Langsam

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