Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Tatwaffe?«
»Sagen wir es so: Ihre Pistole war die Waffe, die am Tatort gefunden wurde. Wir warten noch auf die Ergebnisse der Ballistik.«
»Sie können doch nicht glauben, dass ich irgendetwas damit zu tun hatte.«
»Ihr Name tauchte im Computer als registrierte Eigentümerin auf. Wir suchen nach Anhaltspunkten, und das passte zusammen. Wenn Mr. Magruder die Waffe bei sich hatte, ist vorstellbar, dass sie ihm jemand abgenommen und ihn damit erschossen hat.«
»Dann wäre ich ja aus dem Schneider«, sagte ich scherzhaft. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Sarkasmus ist die falsche Art, um mit Polizeibeamten umzugehen. Besser gibt man sich demütig und hilfsbereit.
Zwischen den beiden machte sich Schweigen breit. Sie hatten freundlich und vertrauensvoll gewirkt, aber ich wusste aus Erfahrung, dass zwischen der Version, die sie mir erzählt hatten und der, die sie mir verschwiegen, eine beträchtliche Lücke klaffte. Aldo zog einen Streifen Kaugummi aus der Jackentasche und zerteilte ihn in zwei Hälften. Eine Hälfte steckte er wieder ein, die andere befreite er von Papier und Alufolie. Dann steckte er sich den Kaugummi in den Mund. Er wirkte vorübergehend desinteressiert, aber ich wusste, dass sie ihre Rückfahrt damit verbringen würden, Beobachtungen auszutauschen, zu erwägen, wo sie als Nächstes ansetzen sollten, und ihre Reaktionen und Empfindungen mit den Angaben zu vergleichen, die ich ihnen gemacht hatte.
Claas änderte seine Sitzposition auf der Couch. »Können Sie uns sagen, wann Sie das letzte Mal mit Mr. Magruder gesprochen haben?«
»Er heißt Mickey. Bitte benutzen Sie seinen Vornamen. Es ist so schon schwer genug. Er hat Santa Teresa 1972 verlassen. Ich kann mich nicht erinnern, ihn gesprochen zu haben, seit wir geschieden wurden.«
»Können Sie uns sagen, inwieweit Sie seitdem Kontakt hatten?«
»Das haben Sie gerade gefragt. Gar keinen.«
Claas’ Blick musterte mich reichlich scharf, fand ich. »Sie haben ihn also in den letzten Monaten nicht gesprochen«, sagte er. Keine Frage, sondern eine von Skepsis überbordende Feststellung.
»Nein. Mit Sicherheit nicht. Ich habe ihn nicht gesprochen.«
Während Detective Claas versuchte, meine Aufmerksamkeit zu fesseln, bemerkte ich, dass Aldo einen diskreten visuellen Rundgang durchs Wohnzimmer vornahm. Sein Blick wanderte von einem Gegenstand zum nächsten und beurteilte methodisch alles in Sichtweite. Schreibtisch, Karteien, Kiste, Anrufbeantworter, Bücherregale. Ich konnte fast hören, wie er vor sich hin grübelte: Welcher dieser Gegenstände gehört nicht hierher? Ich sah, wie sein Blick zu der Kiste wanderte. Bis jetzt hatte ich kein Wort über die rückständigen Zahlungen für Mickeys Lagerfach verloren. Oberflächlich betrachtet, sah ich nicht ein, inwiefern es strafbares Verhalten meinerseits darstellen sollte, wenn ich diese Information für mich behielt. Welche Justiz behinderte ich? Welchen Täter unterstützte ich? Ich hatte nicht auf meinen Ex geschossen. Ich war weder in Haft, noch stand ich unter Eid. Ich konnte mich später immer noch bei den Polizisten melden, wenn mir etwas Wichtiges »einfiel«. Dies alles ging mir in dem Sekundenbruchteil durch den Kopf. Falls den beiden meine Beklommenheit auffiel, so sagten sie kein Wort. Nicht dass ich erwartet hätte, sie würden nach Luft schnappen und bedeutungsvolle Blicke austauschen.
Detective Claas räusperte sich erneut. »Und was ist mit ihm? Hat er sich bei Ihnen gemeldet?«
Ich muss gestehen, dass sich ein Hauch Gereiztheit in meine Antwort schlich. »Das ist doch das Gleiche, oder nicht — ob nun ich mit ihm spreche oder er mit mir? Wir sind seit Jahren geschieden. Wir hatten keinen Grund, miteinander in Kontakt zu bleiben. Wenn er anriefe, würde ich auflegen. Ich will nicht mit ihm sprechen.«
Aldos Tonfall war lässig, fast scherzhaft. »Worüber regen Sie sich denn so auf? Der arme Kerl ist doch am Boden.«
Ich spürte, wie ich rot anlief. »Tut mir Leid. So ist es eben. Wir waren keines dieser Paare, die zu Turteltauben werden, sobald die Scheidungspapiere unterzeichnet sind. Ich habe nichts gegen ihn, aber ich war nie daran interessiert, dick mit ihm befreundet zu sein — oder er mit mir, könnte ich hinzufügen.«
»Mit meiner Ex ist es genauso«, sagte er. »Trotzdem, manchmal gibt es irgendwelche Angelegenheiten — Sie wissen schon, ein Aktienzertifikat oder ein Brief von einem alten Freund. Vielleicht leitet man ja die Post weiter,
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