Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
installieren sehen — Fächer mit falschen Fronten, in denen man Bargeld, Pistolen und Munition unterbringen konnte. Ich begann mit dem Spülbecken. Zuerst zog ich sämtliche Wasserkanister heraus und legte so Boden und Rückwand aus fleckigem Sperrholz frei. Mit der Taschenlampe leuchtete ich von oben nach unten, von einer Seite zur anderen. Dabei entdeckte ich vier Schrauben, in jeder Ecke eine und alle dunkel übermalt, damit sie zum Holz passten. Ich schnallte meine Hüfttasche ab, öffnete das Miniwerkzeugset, nahm einen Akkuschrauber heraus und machte mich daran, die Schrauben zu entfernen. Auf die altmodische Art hätte mir das Unterfangen womöglich ein Karpaltunnelsyndrom eingebracht. Als die Schrauben draußen waren, löste sich die Trennwand auf leichten Druck und gab einen Raum von fünfzehn bis zwanzig Zentimetern Tiefe frei. Vier Handfeuerwaffen waren mit mehreren Schachteln Munition in schmalen Ständern an die Wand montiert. Ich setzte das Brett sorgfältig wieder ein und führte meine Durchsuchung fort.
Nach dreißig Minuten hatte ich drei kleine Nischen entdeckt, die hinter den Steckdosen im Wohnzimmer ausgehöhlt worden waren. Jede enthielt ein Päckchen Personalpapiere: Geburtsurkunde, Führerschein, Sozialversicherungskarte und einige Kreditkarten sowie Bargeld. Emmett Vanover. Delbert Amburgey. Clyde Byler. Keiner der Namen sagte mir etwas, und so nahm ich an, dass er sie erfunden oder von Toten übernommen hatte, deren Daten er in amtlichen Unterlagen gefunden hatte. In jedes gefälschte Dokument war Mickeys Foto eingeklebt. Fürs Erste ließ ich alles, wo es war, und machte weiter. Die Täfelung war, obwohl sie billig aussah, sicher an der Wand befestigt, aber ich fand eng gewickelte Rollen mit frischen Zwanzig-Dollar-Noten in beiden Enden der breiten metallenen Vorhangstangen in Wohn- und Esszimmer. Eine rasche Zählung ergab etwa zwölfhundert Dollar.
Im Badezimmer entfernte ich ein Stück PVC mit fünf Zentimetern Durchmesser, das neben den Wasserrohren in die Wand geklemmt worden war. Das Rohr enthielt eine Hand voll Goldmünzen. Auch diesen Schatz ließ ich, wo er war, indem ich das Rohr sorgfältig wieder an seinen alten Platz steckte. Ich entdeckte außerdem, dass man die Rückwand des Sofas abnehmen konnte und darin genügend Platz war, um sich zu verstecken. Die einzige Stelle, an der ich eine Niete zog, war einer seiner Lieblingsorte, und zwar der Abfluss der Badewanne. Er bohrte gern ein Loch in den Gummistöpsel und führte eine Kette durch die Öffnung. Dann hängte er den betreffenden Gegenstand an die Kette, wo er dann mitten in den schleimigen Haaren und dem Seifenschaum im Abfluss baumelte. Dort bewahrte er normalerweise den Schlüssel zu seinem Safe auf. Ich beugte mich einen Moment über den Badewannenrand. Der Gummistöpsel war durch eine Kette mit dem Überlauf verbunden, aber als ich den Lichtstrahl in den Abfluss selbst lenkte, hing nichts darin. Tja, Pech gehabt. Ich tröstete mich damit, dass ich mich sonst ganz wacker geschlagen hatte. Mickey verfügte vermutlich über weitere geheime Aufbewahrungsorte — vielleicht neue, an die ich gar nicht gedacht hatte — , aber mehr konnte ich in der gegebenen Zeit einfach nicht tun. Jetzt musste ich zusehen, dass ich aus der Wohnung verschwand.
Ich ging zur Hintertür hinaus und benutzte Mickeys Schlüssel dazu, sie hinter mir abzusperren. Ich steckte den Schlüssel in die Tasche, streifte die Gummihandschuhe von den Händen und klopfte an die Tür des Hausmeisters. Ich war davon ausgegangen, dass B. & C. Hatfield ein Ehepaar waren, doch die Bewohner entpuppten sich als Schwestern. Die Frau, die mir aufmachte, musste über achtzig sein. »Ja?«
Sie war breit um die Taille und hatte einen ausladenden Busen. Sie trug ein ärmelloses Strandkleid aus Baumwolle, dessen Farbe schon zur Hälfte ausgewaschen war. Der Stoff erinnerte mich an eine alte Steppdecke, ein mehlsackartiges Gewebe mit Blumendruck in Blassblau und Pink. Ihre Brüste waren kissenförmig und gepudert, wie zwei Kuppeln Brotteig, die in einer Schüssel aufgehen. Ihre Oberarme waren weich, und ich konnte sehen, dass ihre Strümpfe bis unter die Knie heruntergerollt waren. Sie trug Hausschuhe, aus denen auf der einen Seite ein Halbkreis ausgeschnitten war, um Platz für ihre entzündeten Fußballen zu schaffen.
»Mrs. Hatfield?«, sagte ich.
»Ich heiße Cordia«, sagte sie zurückhaltend. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Das hoffe ich. Ich würde gern mit Ihnen
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