Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
bereits wahrgenommen hatte, als das Motorrad die Straße vor dem Haus entlangfuhr. Der Fahrer musste am Beginn der Gasse den Gang herausgenommen haben und den Rest des Weges gerollt sein. Ich ging zu dem nach hinten gelegenen Fenster und zog die Vorhänge einen Spalt weit auf. Aus diesem Winkel konnte ich nicht viel sehen, war mir aber relativ sicher, dass jemand durch die Gasse schlich. Ich schloss die Augen und lauschte. Binnen dreißig Sekunden konnte ich das Klappern von Stiefeln auf den Treppenstufen hören, begleitet von einem Klimpern bei jedem Schritt. Der Typ kam hinten herum nach oben. Womöglich ein Mieter oder Nachbar. Ich machte die Taschenlampe aus und verfolgte seinen Marsch anhand der Geräusche, als er den Außengang an der Hinterseite des Gebäudes entlangging und an Mickeys Vordertür anlangte. Ich hatte gehofft, ihn Vorbeigehen zu hören. Stattdessen vernahm ich ein Klopfen und ein raues Flüstern. »He, Mr. Magruder. Machen Sie auf. Ich bin’s.«
    Ich durchquerte Mickeys Schlafzimmer und hielt auf die Hintertür zu, während ich in meiner Jeanstasche nach dem Schlüssel angelte. Meine Hand war ruhig, doch sämtliche anderen Körperteile an mir zitterten dermaßen, dass ich das Schlüsselloch nicht traf. Ich hatte Angst, die Taschenlampe zu benutzen, weil der Kerl jetzt an Mickeys Schlafzimmerfenster gegangen war, wo das Klopfen durchdringender wurde, ein helles Klicken, als klopfte er mit einem Ring gegen die Scheibe. »Machen Sie verdammt noch mal auf und schieben Sie Ihren Arsch hier raus.« Er war die paar Schritte zur Vordertür zurückgegangen und begann erneut, dort zu klopfen. Diesmal war es ein Hämmern der massiven Art, das die Wände zum Wackeln zu bringen schien.
    Der Nachbar aus der Wohnung daneben, dessen Schlafzimmer direkt neben Mickeys liegen musste, brüllte aus dem Fenster: »Halt’s Maul, du Arschloch! Wir wollen hier schlafen.«
    Der Typ vor der Tür sagte etwas noch Schlimmeres als das Wort mit F, was ich nicht wiedergeben will. Ich konnte hören, wie er mit klimpernden Schritten aufs Schlafzimmerfenster des Nachbarn zumarschierte, wo er in meiner Fantasie mit der Faust die Scheibe zertrümmern würde. Und tatsächlich hörte ich den Aufprall seines Schlags und danach das Klirren von Glas, gefolgt von einem verblüfften Aufschrei des Mieters. Ich nutzte diesen zärtlichen Augenblick der Begrüßung, um schnell auf das Schlüsselloch zu leuchten. Ich drehte den Schlüssel im Schloss um und war schon fast zur Tür draußen, als ich wie angewurzelt stehen blieb. Ich würde nie wieder hineinkommen. Am nächsten Morgen würde der Hilfssheriff anrücken und die Schlösser austauschen. Ich konnte mir zwar vermutlich mit Hilfe des Dietrichs erneut Zutritt verschaffen, doch das wollte ich nicht riskieren. Jetzt, wo sämtliche Verstecke ausgeleert waren, gab es nur noch einen Gegenstand von Wert. Ich stellte die beiden Matchsäcke ab und kehrte an Mickeys Wandschrank zurück, wo ich die Lederjacke vom Bügel nahm und hineinschlüpfte. Ich hörte ein zweites Fenster zersplittern, schnappte mir beide Matchsäcke und schlich zur Hintertür hinaus, die ich mit äußerster Hast hinter mir abschloss.
    Ich war die Hintertreppe halb hinuntergestiegen, als über mir ein Gesicht erschien. Über dem schmiedeeisernen Geländer erkannte ich zottige maisgelbe Haare, ein langes, knochiges Gesicht und einen eingesunkenen Brustkasten in einer blauen Jeansjacke mit abgeschnittenen Ärmeln. Ich schlang mir einen Matchsack über die Schulter, drückte mir den anderen gegen den Leib und begann, die Stufen hinabzurasen, indem ich zwei auf einmal nahm, während der Kerl in der Jacke sich auf den Treppenabsatz zubewegte. Ich erreichte das untere Ende der Treppe genau in dem Moment, als er den Abstieg begann. Wegen des Klirrens an seinen Stiefeln, die mit Ketten behängt sein mussten, konnte ich jeden seiner Schritte hören. Ich lief auf Zehenspitzen und hielt mich weit außen, da ich auf keinen Fall gegen einen der Wasserzähler am Haus prallen wollte.
    Die Hausmeisterwohnung lag mittlerweile völlig im Dunkeln, aber Cordia hatte wie versprochen die Hintertür unverschlossen gelassen. Ich drehte den Knopf, öffnete die Tür und trat ein. Ich wurde kurz aufgehalten, da sich der Matchsack an meiner Schulter im Türrahmen verfing. Ich riss ihn los und warf beide Säcke ins Zimmer. Ich drehte mich gerade um, um die Tür zu schließen, als Dorothy durch die schmale Öffnung hinausschoss. Sie musste eilig

Weitere Kostenlose Bücher