Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
sich an Papieren zu schaffen machte, damit sie lauschen konnte, ohne neugierig zu wirken.
Mr. Eichenberger war ein Mann Anfang sechzig mit schütteren, weich aussehenden weißen Haaren, einer Brille und einer Knollennase. Sein Teint wirkte sonnenverbrannt, und ich nahm den Hauch eines Aftershaves wahr, das wie Räucherstäbchen roch. Er trug ein leuchtend blaues Oberhemd, eine dunkle Strickweste und eine von Hand gebundene Fliege. Er gab sich diensteifrig, und seine Miene ließ darauf schließen, dass er darauf brannte, mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. »Sie haben also ein Problem mit einer unserer Schülerinnen.«
»Nicht ganz«, erwiderte ich. In Gedanken fing ich an zu schielen. Kein Wunder, dass ich die Highschool gehasst hatte, wo ich voll und ganz der Gnade von Typen wie ihm ausgesetzt gewesen war. Ich spulte noch einmal meine ganze Erklärung ab und täuschte eine Geduld vor, die ich nicht wirklich empfand.
Mr. Eichenberger hob an: »Ms. Millburn, lassen Sie mich etwas klarstellen. Ich bin seit Mitte der Sechzigerjahre hier und gehe im Mai in den Ruhestand. Ich habe meine Position angetreten, als ich vierzig Jahre alt war, und habe jeden Moment davon genossen. Ich möchte nicht prahlen, aber ich erinnere mich praktisch an jeden Schüler, der durch diese Tür gekommen ist. Es ist für mich oberste Priorität, zu wissen, wer sie sind und was sie ausmacht. Das ist es nämlich, was diese Jugendlichen brauchen – keinen Kumpel oder Freund, sondern Orientierung durch Erwachsene, denen nur ihr Bestes am Herzen liegt. Es ist unsere Aufgabe, diese Jugendlichen dafür fit zu machen, sich der realen Welt zu stellen. Sie brauchen Fertigkeiten – zunächst einmal im Lesen und Schreiben –, um sich auf produktive, gut bezahlte Berufe vorbereiten zu können. Wenn sie nicht fürs College geeignet sind, sorgen wir dafür, dass sie ein Handwerk lernen. Schwänzerei, Banden, Drogenprobleme – damit sind wir hier selten konfrontiert, trotz der Nähe zu Los Angeles.«
Ich warf einen Blick über die Schulter. Wurden wir gefilmt? Nicht, dass seine Ansichten nicht bewundernswert gewesen wären, aber das Gesülze klang abgedroschen und hatte nichts mit mir zu tun. »Entschuldigen Sie bitte, aber tut das etwas zur Sache?«
Offenbar musste er sich sammeln, als erhole er sich von einer kurzfristigen Bewusstseinstrübung. »Schon. Na ja. Sie haben von einer Schülerin gesprochen. Es würde mir helfen, wenn Sie mir Einzelheiten nennen würden. Sonst kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
Bereitwillig wie immer wiederholte ich meine Geschichte, während seine Assistentin sinnlos Papiere von links nach rechts und wieder zurück schob. Bevor ich meinen Bericht beendet hatte, schüttelte Mr. Eichenberger den Kopf. »Nicht hier. Nicht unter meiner Leitung. Vielleicht sollten Sie es an der Lockaby versuchen. Das ist die alternative Highschool.«
»Tatsächlich. Ich wusste gar nicht, dass es eine gibt.«
»Sie ist drüben am Kennedy Pike. Ein weißes Holzhaus gegenüber dem städtischen Friedhof. Sie können es gar nicht verfehlen.«
»Soll ich nach jemand Bestimmtem fragen?«
»Mrs. Bishop ist die Schulleiterin. Vielleicht kann sie Ihnen helfen.«
»Sie kannten das Mädchen also nicht?«
»Wenn ich sie gekannt hätte, hätte ich es Ihnen gesagt. Ich würde bei Ermittlungen in einem Mordfall nichts verschweigen.«
»Und Ihre Assistentin?«
»Mrs. Richards hat damals noch nicht hier gearbeitet.«
»Wie schade. Na, einen Versuch war es jedenfalls wert«, sagte ich. Ich zog eine Visitenkarte heraus und schrieb die Telefonnummer des Motels auf die Rückseite. »Die nächsten zwei Tage wohne ich im Ocean View. Ich wäre Ihnen für einen Anruf dankbar, falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte.«
»Sie haben eine Pflegefamilie erwähnt. Da würde ich es beim Sozialamt versuchen.«
»Danke. Das ist ein guter Vorschlag. Das mache ich.«
Ich beschloss, keine weiteren Vorstöße zu unternehmen, bis ich Dolan über die neuesten Entwicklungen informiert hatte. Also fuhr ich zum Motel zurück, stellte den Wagen vor seinem Zimmer ab und klopfte. Von drinnen war das unverständliche Gebrabbel aus einem laut gestellten Fernseher zu vernehmen. Dolan hatte mich offenbar nicht gehört, da mein Klopfen unbeantwortet blieb. Mit an die Tür gelegtem Kopf wartete ich und versuchte es dann erneut. Nichts. Ich wandte mich um, schaute über den Parkplatz zum Büro und ließ den Blick über die Nische schweifen,
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