Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
Oberkörper mit einer Baumwolldecke verhüllt. Man hatte ihm die Schuhe ausgezogen, und der Zeh an einer Socke war hochgerutscht und bildete eine kleine Kappe, wodurch er aussah wie ein Kind. Er bekam immer noch Sauerstoff. Sie hatten ihn an eine Reihe von Geräten angeschlossen, die seine Vitalfunktionen überwachten. In jedem Arm steckte eine Infusionsnadel. Ein Beutel mit klarer Flüssigkeit hing an einer Stange, und ich zählte fünfzehn Tropfen. Er begann zu schnarchen.
Ich nahm seine Hand und zog leicht daran. »Wie geht es Ihnen?«
Er schlug die Augen auf. »Mir geht’s gut.«
»Sie haben schwer in der Patsche gesessen, Sie Dussel. Sie hätten nach Hilfe telefonieren sollen.«
»Hab Sie klopfen hören. Konnte mich nicht bewegen. War froh, dass Sie reingekommen sind.« Er sprach bemüht, als hätte man ihm Novocain in die Lippen gespritzt.
»Ich und meine kleinen Dietriche. Verraten Sie nichts.«
Er schloss erneut die Augen und legte sich einen Finger auf den Mund.
»Ich habe Stacey angerufen und ihm berichtet, wo Sie sind. Er hat gesagt, seine Röntgenbilder sind einwandfrei, und er kommt jetzt her.«
»Zu mir hat er dasselbe gesagt. Sinnlos, was dagegen einzuwenden.«
»Wem sagen Sie das. Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber er war eisern. Ich dachte mir, solange Sie hier festsitzen, soll er ruhig einspringen. Im Moment können wir sowieso nicht viel tun, aber vielleicht bringen wir einiges ins Laufen. Hoffentlich findet die Spurensicherung etwas Handfestes. Ich dachte mir, wir bringen Stacey in Ihrem Zimmer unter, wenn Sie mir den Schlüssel geben.«
»Moment.« Dolan raffte sich lange genug auf, um in die Hosentasche zu fassen und seinen Schlüssel herauszuziehen. Ich steckte ihn ein und nahm mir vor, vorbeizugehen und meine Schreibmaschine zu holen, bevor Stacey ankam.
Die Verwaltungsangestellte erschien mit einem Klinikarmband aus Plastik und einem Bündel Papiere in einem Klemmbrett neben dem Vorhang. »Ich habe Ihren Schmuck, Lieutenant Dolan. Jetzt brauche ich nur noch Ihre Unterschrift, und schon geht’s los.«
Er stützte sich auf und winkte sie träge herein. »Soll wohl mein Leben verpfänden.« Er wandte sich an mich. »Kommen Sie alleine klar?«
»Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Passen Sie lieber auf sich selbst auf und gönnen Sie sich ein bisschen Ruhe. Ich komme heute Abend noch mal vorbei. Schön brav sein.«
»Abgemacht.«
Bevor ich das Quorumer Krankenhaus verließ, rief ich bei Henry an, doch er war nicht da. Ich hinterließ ihm eine Nachricht auf Band, in der ich ihm von Dolans Herzinfarkt berichtete und ihm sagte, dass Stacey vorbeikommen würde. Ich erklärte ihm, wo meine Lederjacke war, und versprach, später noch mal anzurufen, wenn es mehr zu erzählen gab. Es war fünf nach halb zwei, als ich das Krankenhaus verließ und auf den Parkplatz trat. Erst als ich die Autotür aufgeschlossen und mich hinters Steuer gesetzt hatte, merkte ich, wie angespannt ich war. Ich holte tief Luft und rollte ein paarmal den Kopf im Kreis. Jetzt, wo ich auf mich allein gestellt war, machte sich in meinem Körper Unruhe breit. Ich hatte überhaupt nicht registriert, wie abhängig ich von Dolan geworden war. Es gefiel mir, Notizen zu vergleichen, gemeinsam zu essen, ja sogar sich zu streiten. Meine Anhänglichkeit enthielt keinen Funken von Verliebtheit, aber sie löste den Wunsch aus, an jemanden gebunden zu sein. Ich hatte meine Ausbildung bei zwei alten Männern gemacht, die mich vor Jahren meinen Beruf gelehrt hatten. Vielleicht waren sie es, die mir fehlten.
Ich blätterte meine Karteikarten durch. Der nächste logische Schritt war, mit der Leiterin der alternativen Highschool zu sprechen. Ich wünschte, Dolan wäre greifbar gewesen, damit er das übernehmen konnte. Obwohl ich es nur ungern zugab, würde man ihm wesentlich weniger Stuss erzählen. Mano a mano. Wenn er sein Abzeichen vorzeigte, antworteten die Leute meistens freiwillig. Ich zückte meinen MiniStadtplan und suchte den Kennedy Pike. Dann ließ ich den Chevy an und fuhr los. Auf der Main Street hielt ich kurz an einer Tankstelle und tankte. Ich stand da, hielt den Schlauch umklammert und sah zu, wie der Treibstoff durchlief und der Preis immer weiter stieg. Es dauerte so lang, dass ich schon fürchtete, der Tank hätte ein Leck. Ich bin an meinen VW gewöhnt, und dessen Tank hat das Fassungsvermögen eines Farbkübels. 29 Dollar 46 später verließ ich die Tankstelle und bog nach rechts ab.
Am
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