Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
gezeigt, und die hat gemeint, der Schatten wäre bedeutungslos. Ich hab jetzt vergessen, wie das heißt, aber es ist Schwachsinn. Die Biopsie ist auch negativ gewesen, also bin ich gesundheitlich so gut wie neu.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Na klar. Warum sollte ich über so was lügen? Ich bin symptomfrei. Zumindest momentan.«
»Ein Glück, dass Sie sich letzte Woche nicht erschossen haben. Würde Ihnen das nicht tierisch stinken?«
»Hätte ich doch bloß nicht alle meine persönlichen Sachen weggeschmissen.«
»Das hätte ich Ihnen gleich sagen können.«
»Apropos: Ich hätte gern meine Familienfotos zurück.« »Vergessen Sie’s. Suchen Sie sich neue. Die gehören jetzt mir.«
»Ach, kommen Sie, Kinsey. Ich lasse Duplikate machen.«
»Lassen Sie das Betteln. Ich will keine Duplikate. Ich will die. Außerdem haben Sie Vetter Mortimer geschreddert, und der war mein Liebling.«
»Den haben Sie doch nicht mal gekannt.«
»Ich weiß, aber er hatte ein gutes Gesicht.«
»Sie sind eine harte Nuss.«
»Abgemacht ist abgemacht.«
»Was halten Sie von gemeinsamem Sorgerecht? Abwechselnde Besuche. Eine Woche Sie, eine Woche ich.«
»Vielleicht«, sagte ich. »Sie hätten es eben nicht so überstürzen sollen.«
»Wenigstens war ich so schlau, meine Steuererklärungen nicht zu schreddern. Ich könnte lebenslänglich im Knast sitzen, je nachdem, wie viel Leben mir noch bleibt.«
»Und was ist mit Ihren Kleidern?«
»Die hab ich letzte Woche verschleudert. Ich werde sie im Wohlfahrtsladen raussuchen und zurückkaufen müssen.«
»Oh, Sie Kleingläubiger. Dolan hat doch gesagt, dass Sie sich erholen würden. Sie hätten auf ihn hören sollen.«
»Was weiß der schon. Der Mann ist ein Chaot. Hab ich Ihnen nicht prophezeit, dass er auf den nächsten Herzinfarkt zusteuert? Zeitbombe ist gar kein Ausdruck dafür.«
»Ich weiß. Ich hab’s ihm auch gesagt, aber er war nicht aufzuhalten. Und was ist mit Ihnen – geht’s Ihnen wirklich gut?« »Sagenhaft. Bin total aufgekratzt. Und fest entschlossen, rüberzurauschen. Weiß zwar noch nicht, wie ich hinkomme, aber mir fällt schon was ein.«
»Die Ärztin erlaubt, dass Sie fahren?«
»Klar. Geht die doch nichts an. Das Problem ist nur, dass ich mein Auto verkauft und meinen Führerschein nicht verlängert habe.«
»O nein.«
»Tja, ich wollte halt die Prüfung nicht noch mal machen. Ich war mir sicher, dass ich bis dahin sowieso tot bin.«
»Was ist mit der Miete für Ihr Haus?«
»Mist, das hab ich total vergessen. Gesund, aber obdachlos. Ironie des Schicksals. Übrigens, hat Ihnen Dolan erzählt, was hier passiert ist?«
»Wir sind nicht mehr zum Reden gekommen.«
»Ein dreifacher Mord heute Morgen – eine Frau, ihr Freund und ihr Kind, alle drei erschossen. Der Exmann ist ins Hinterland geflohen und versteckt sich da. Sämtliche Leute vom Sheriffbüro sind an der Suche beteiligt. Der Kerl ist ein Wildnisexperte, so ein paramilitärischer Freak. Unmöglich zu sagen, wie lang es dauern wird, bis sie ihn gestellt haben. Die Spurensicherung ist immer noch am Tatort zugange. Das heißt, sie kommen nicht mehr auf unseren Fall zurück, bis sie damit fertig sind. Kann Tage dauern.«
»Und warum wollen Sie dann hier rumhängen? Wenn Dolan rauskommt, kann ich uns mit seinem Auto zurückfahren und Ihnen den Weg ersparen.«
»Kommt nicht infrage. Ich langweile mich zu Tode. Mich ödet es hier dermaßen an, dass ich bald durchdrehe. Außerdem, wenn ihr beiden herkommt, müssen wir ja eh gleich umkehren und wieder zurückfahren.« »Vorausgesetzt, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Mustang und unserer Unbekannten«, erwiderte ich.
»Glauben Sie mir, den gibt es, und Dolan ist auch davon überzeugt. Wenn man so lange in der Branche ist wie wir, entwickelt man ein Gefühl für so was. Wir kommen der Sache immer näher.«
»Da bin ich sogar Ihrer Meinung. Heute Morgen habe ich mit einem Zahnarzt gesprochen, der sich an sie erinnert – oder zumindest an ein Mädchen wie sie. Er glaubt, sie war eine der letzten Patientinnen, die er behandelt hat, bevor er in den Ruhestand gehen musste. Der Mann ist jetzt dreiundneunzig und hat mir ihren Namen nicht nennen können, aber alles andere, was er sagt, passt. Ich habe mit dem Schulleiter der Quorum High gesprochen, und er hat mich an die alternative Highschool für Problemkinder verwiesen. Darum habe ich mich allerdings noch nicht kümmern können. Ich bin zum Motel gefahren, um Dolan von den Neuigkeiten zu
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