Kiosk
ihn. Der Karobube schlägt mit seinem schmalen Edelmanngesicht den altväterlichen Wollbart ohnehin um Längen. Also die liebliche Herzdame zum Karobuben oder vielleicht doch die Karodame, die so schlicht und würdig ist in ihrem blauroten Mieder? Aber welche Dramen beschwört sie herauf, indem sie eine Königin einem Buben anvermählt? Nicht einmal bei einem albernen Kartenspiel kann sie sich für die richtige Zusammenstellung entscheiden.
»Männer und Frauen passen nicht zusammen, mein Kind«, tröstet scheinheilig her mothers voice. »Mach es wie ich, schau, daß du alleine klarkommst.«
Kommt sie aber nicht. Insgesamt fehlt es mir eben an Eigenständigkeit, verhöhnt Karla sich stumm. Der Hund kratzt an der Badezimmertür, wirft sich dagegen. Diese Nervensäge hat sie bei einem anderen Spiel gewonnen. Karla steht auf und läßt den Welpen herein, er schliddert mit auseinanderdriftenden Beinen zur Duschtasse und trinkt daraus. »Was mir jetzt noch fehlt, ist ein Satz Flöhe.« Während sie gestern Karten sortiert hat, ist im »Fährmann« die Tür aufgegangen. Sie schaut in Gedanken noch mal hin. Zwei junge Männer kommen herein, schlaksig in viel zu langen Lederjacken mit ausgebeulten Taschen und Combat-Hosen. Dem einen hängen Rastalocken ins Gesicht, der andere trägt gegeltes Raspelhaar und eine runde Sonnenbrille mit gelben Gläsern. Mit der selbstgewissen Arroganz junger Studenten, kaum älter als fünfundzwanzig sind sie, begutachten sie die staubigen Netze, das Stundenglas aus angelaufenem Messing, die Rettungsbootsparbüchse und nicken sich in einem besoffenen Reggae-rhythmus zu. Mit wiegenden Schritten kommen sie an die Theke, stützen sich mit den Ellbogen ab und ziehen sich auf zwei Hocker wie Mickey-Rourke-Doubles.
»Ja?« wirft der Wirt ihnen gleichzeitig mit seinem schmutzigen Wischtuch entgegen.
»Kölsch.«
»Kölsch.«
Die getrennte Bestellung entlarvt sie endgültig als Studenten. Fehlt nur noch, daß sie unter dem Tresen ihr Geld nachzählen. Aber das tun sie nicht, statt dessen öffnet der mit den Rastalocken seine Lederjacke, und ein Hund, der Hund, guckt vor. Karla legt die Karten weg und entschließt sich zu einem anderen Spiel. Vielleicht weil sie schon angetrunken ist, vielleicht weil sie am Ende ist, vielleicht, weil ihr zu allem Überfluß durch den Kopf schießt, daß sie schon achtunddreißig ist, ohne Job und ohne Mann und ohne Sex und nicht tot. Sie streckt die Hand nach rechts aus, wo Rastalocke sitzt, schiebt sie unter seinem Arm durch und krault den Hund unterm Kinn, der strampelt sich aus der Lederjacke frei, springt auf die Theke und läuft zu ihr hin.
»Tiere sind hier nicht erlaubt, wegen der Hygiene«, mufft der Wirt. Sie trinken ihr Bier aus und gehen. Vor der Tür erklären die Mickey-Rourke-Kopien, was sie in Kneipen wie dem »Fährmann« treiben. Sie spielen »ohne Tabu«, Biertrinken in Kneipen, die über die Schmerzgrenze gehen. Leben als ob man voll fertig wär. Rund um den Kattenbug sind sie schnell fündig geworden. Karla entscheidet sich mitzuspielen, die beiden haben nichts dagegen, vor allem der Raspelhaarige nicht.
Nach der dritten Bierschwemme legt er auf der Zülpicherstraße den Arm um Karla, während sie Bierbecher zertreten und durch Pommesschachteln und fettiges Falaffelpapier waten. Karla haßt den billigen Studentenmüll, aber immerhin halten die anderen Passanten, alle unter dreißig, erwartungslos, angewidert und unbekümmert, sie auch wieder für eine Studentin. Als Studentin war sie halbwegs im Lot, sozial einzuordnen, gut benotet, planlos anerkannt. Damals war ihr Lebensgefühl von tausend Möglichkeiten beflügelt und nicht von einer beschissenen Wirklichkeit gegängelt.
Sie gehen in Kneipen, in denen die Menschen ihnen immer ähnlicher werden, und langweilen sich lustig bei zu laut aufgedrehten Schlagerplatten, die Karla als Teenager peinlich fand.
»Schön ist es auf der Welt zu sein,
sagt die Biene zu dem Stachelschwein«.
»Gehn wir zu uns«, stellt der Raspelhaarige mehr fest, als daß er es vorschlägt. Karla kommt mit, weil sie den Hund auf dem Arm und die Hand des Raspelhaarigen auf der Schulter trägt. Es geht zum Kattenbug, wo die beiden in einem der Häuser mit rissigem Putz und ausgeleierter Haustür wohnen, fünf Treppen hoch, unterm Dach. Das Holzgeländer wackelt, und die Stufen klingen hohl. Vor der Wohnungstür schauen die beiden Jungs sich kurz an, als hätten sie was miteinander abzumachen. Der mit den Rastahaaren
Weitere Kostenlose Bücher