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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Schnickschnack.
    »Ich hab jetzt gerade kein Geld dabei«, sagt Karla fahrig. »Bring’s heute nachmittag noch vorbei. War nicht für mich.«
    Kwiatkowski mischt sich ein. »Lena, ich hab Ihnen was mitgebracht, ist gestern erst fertig geworden.« Er stellt den Karton auf die Eistruhe, klappt die Deckelhälften auseinander. Behutsam befreit er die Gipsmaske von Holzwollesträhnen, hebt sie heraus und hält sie vor seine Brust. Jakob lächelt nicht, der Tod war für ihn wohl eine ernste Sache. Lenas Hals zieht sich zusammen und erstickt den Aufschrei.
    »Hallo, Fräulein, tun Sie mal drei Reissdorf, bitte? Ziemlich trockene Luft nebenan.« Kwiatkowski mustert Karla, die sich an die Griffe der Sackkarre klammert.
    »Hallo, drei Reiss bitte.«
    Lena setzt sich auf ihre umgedrehten Bierkästen und muß sich daran erinnern zu atmen. »Was’n hier los? Stör ich?«
    Karla schiebt mit metallenem Scharren die Sackkarre zur Seite. »Haben Sie leere dabei?« fragt sie energisch, als müsse sie einen Streit unterbinden. Klingt wie eine Sandschüppe, findet der Dachdecker und meint Xanthippe.
    »Nee, keine leeren, wir fangen ja gerade erst an.«
    »Kaltes Bier?«
    »Eine warm, wegen meinem Magen, für die Kumpel is egal.«
    »Macht fünf Mark vierzig.«
    »Können Sie aufschreiben. Unter D wie Dachdecker, steht auf der rosa Karte, liegt unter der Kasse.« Besser, er übernimmt hier mal die Regie, denn Lena weint so lautlos, daß keiner was dazu sagen kann. Karla wirft dem Dachdecker einen warnenden Blick zu, hält die Tüte fest, dreht sich zu Lena um. Die schaut nicht auf, nickt nur. Karla schreibt an.
    Der Dachdecker läßt den Arm vorschnellen, schnappt sich die Tüte. »Danke, schönen Tach auch noch. Am Wochenende können wir abrechnen.« Lena zieht sich am Rand der Eistruhe hoch, nimmt Kwiatkowski vorsichtig die Totenmaske aus den Händen, dreht sie um und drückt sie an ihre Brust.
    »Bin hinten, wenn was ist.«
    Als sie weg ist, dreht Karla sich um. »Wie können Sie so bescheuert sein? Das hätten Sie sich doch denken können.«
    »Was hätte ich mir denken können?« fragt Kwiatkowski scharf.
    »Sie haben ihre Gefühle verletzt, so was macht man nicht. Eine Totenmaske. Damit kann eine Frau wie Lena doch nichts anfangen. So will sie den Jakob bestimmt nicht in Erinnerung behalten. Mit leeren Augen und so hohlen Wangen.«
    »Sie haben das Gesicht erkannt?«
    Karla braust auf. »Man muß nur Lena ansehen, um zu wissen, wer das ist, wer das war.«
    »Und es erschüttert Sie so, daß eine Frau um ihren toten Geliebten weint? Was haben Sie gegen Gefühle? Sie kennen Lenchen gerade mal einen Tag. Sie verstehen überhaupt nichts. Nichts von Gefühlen jedenfalls.«
    »Aber Sie mit Ihren gräßlichen Totenköpfen, Sie kennen sich aus. Sie sind so erbärmlich, so jämmerlich unbegabt, pompös und dumm.«
    Karla kann nicht wissen, daß seine erbärmlichen Totenschädel für den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig vorgeschlagen sind und demnächst als »Kölner Totentanz« in einer Düsseldorfer Galerie ausgestellt werden.
    Kwiatkowski ist gern Künstler und ungern berühmt, womit er auf dem Kattenbug keine Probleme hat. Das mit dem Geld muß schließlich keiner wissen und ist ihm ja nicht wichtig.
    Kwiatkowski schweigt und sieht das Blut durch Karlas Schläfenbein pochen, er würde die Vene gerne glattstreichen, mit den Fingern über ihr Jochbein fahren, diesen wütenden Schmerz aus ihrem Gesicht wischen, wenn er sie nicht hassen müßte.
    Karla ist froh, als sie den Antiquar vorm Laden entdeckt, fährt mit der rechten Hand am Zigarettenregal entlang, bis sie die Camel ohne entdeckt, zieht sie heraus und legt sie auf die Zeitungen. Sein rituelles Schweigen ist ihr eine Wohltat.
    »Ich möchte mit Ihnen reden, wenn es Ihnen recht ist«, sagt der Antiquar und schaut Karla fest an.
    »Ja?«
    »Nicht hier. Es geht um Ihren, deinen Vater.« Karla erbleicht. Der Blick vom Antiquar ist wie zugemauert.
    »Meinen Vater?«
    »Hab ihn gut gekannt. Ich möchte dir etwas zeigen. Ich glaube, das hat er gewollt.« Er wartet nicht auf eine Antwort. »Ich bin ab acht zu Hause, oben unterm Dach«, sagt er mit einer Kopfbewegung zum Giebel und schlendert – eine für ihn ganz ungewöhnliche Gangart – zur Baustelle nebenan.
    »Nun, Johanna oder wie immer Sie heißen. Was wollen Sie wirklich hier?«, fragt Kwiatkowski laut.
    Karla fährt herum. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Der Laden gehört Lenchen.« Der Satz verblüfft

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